Der Plan für den Rest des Monats

Die meisten von Euch werden es schon gesehen haben, für alle anderen: hier das Programm der Literaturwerkstatt Berlin bis Ende des Monats. Mit dabei sind im Februar Harald HartungElke Erb und Volker Braun, Ann Cotten, Ulrike Draesner, Urs Engeler, Christian Filips, Uwe Kolbe, Richard Pietraß, Steffen Popp, Monika Rinck, Gottfried Röszler, Ulf Stolterfoht, Brigitte StruzykDurs Grünbein und noch andere mehr.

©tesla42.de, 2010
©tesla42.de, 2010

Di 12.2. 20:00
Klassiker der Gegenwartslyrik: Harald Hartung
In Lesung und Gespräch: Harald Hartung
Moderation: Jan Wagner

Harald Hartung (*1932 Herne) gilt innerhalb der deutschen Literatur als der Anti-Pathetiker par excellence. Er tritt auf als unbedingter Verfechter des Klassischen in der Moderne. Dazu gehört, dass er die sprachliche Unkultur eines »deliranten Avantgardismus«, die Reimlosigkeit und das belanglose »Freivers-Parlando« ablehnt. Stattdessen setzt er in seinen Texten ganz auf das Formbewusstsein und die Beherrschung des dichterischen Handwerks.
Hartung schreibt von Anfang an (der erste Band »Hase und Hegel« erschien 1970) entlang der eigenen Biographie. In diesem Sinne sind seine Gedichte, er selbst spricht von »ausglühenden Gebilden«, Form gewordenes Leben. Mit nabelschauender Bekenntnislyrik haben sie dennoch nichts gemein, dafür sind sie im Tonfall zu kontrolliert und diskret. Das Nicht-Prätentiöse ist in ihnen bis zur Meisterschaft getrieben.
Im deutschen Sprachraum ist Hartung außerdem ein herausragendes Beispiel für eine seltene Doppelbegabung: Er ist Dichter und Kritiker zugleich. Auf ihn selbst trifft das zu, was er an dem Schriftsteller Paul Valéry rühmt: Er verbindet die Intelligenz des Theoretikers mit der Bescheidenheit des Praktikers.
Hartungs Buch »Masken und Stimmen« (Carl Hanser, 1996) gilt längst als ein Standardwerk über moderne Dichtung, und die von ihm besorgte Anthologie »Luftfracht« (ein Überblick über internationale Poesie zwischen 1940–1990, Eichborn, 1991) ist neben Enzensbergers »Museum der modernen Poesie« und Sartorius’ »Atlas der neuen Poesie« die bedeutendste Sammlung ihrer Art.
Die Reihe der Literaturwerkstatt Berlin gibt den Klassikern der Gegenwartslyrik das Wort. Sie stellt jene Autoren vor, ohne die die deutschsprachige Lyrik nicht das wäre, was sie heute ist. Zu Gast waren bislang u.a. Jürgen Becker, Paulus Böhmer, Rolf Haufs, Reiner Kunze, Christoph Meckel, Franz Mon und Doris Runge.

Die Veranstaltungen sind auch auf www.literaturwerkstatt.org zu hören

Mo 18.2. 20:00
Ein Fest für Elke Erb
Mit Elke Erb und Volker Braun, Ann Cotten, Ulrike Draesner, Urs Engeler, Christian Filips, Uwe Kolbe, Richard Pietraß, Steffen Popp, Monika Rinck, Gottfried Röszler, Ulf Stolterfoht, Brigitte Struzyk

Elke Erb (*1938 Scherbach) wird 75. Eine hochwillkommene Gelegenheit, die Autorin und ihr Werk, das in einzigartiger Weise das Offene wagt, mit einer Geburtstagsfeier zu würdigen.
Elke Erb gilt neben Friederike Mayröcker als die bedeutendste zeitgenössische deutschsprachige Dichterin. Zu DDR-Zeiten war sie eine feste Größe innerhalb der Literaturszene in Prenzlauer Berg. Heute gilt sie – gerade auch aus Sicht einer jungen Dichtergeneration – als eine künstlerische Instanz.
Erbs Texte sind »lebhaft, gegenwärtig und augenblicksnah« (Süddeutsche Zeitung). Sie widersetzen sich beharrlich allen Versuchen einer abschließenden Einordnung. In ihnen werden Möglichkeits-Horizonte eröffnet, die den Leser teilhaben lassen an einem »vieldimensionalen, unabgeschlossenen Prozess von Denken und Dichten« (Jurybegründung, Trakl-Preis 2012). Sie sind lebendige Anschauung und Reflexion dieser Anschauung zugleich.
Elke Erbs Sprache entzündet sich an all dem, was sich in ihren »sinnreichen Netzen« verfängt: sei es der Faltenwurf bei Donatello, die Saumkante einer Küster-Soutane, ein Insekt mit »stimmgabelförmigen« Beinen oder ein seitlich gesehenes Rehauge. Der sinnliche Zugriff ihrer Sprache, der kühne Versuch, so zu schreiben, »wie man denkt bei sich«, führt zu poetisch verblüffenden Resultaten.
Wir feiern gemeinsam mit Elke Erb und mit zahlreichen ihrer Dichter-Freunde, die – gleichsam als mündliches Angebinde – eigene Texte und Texte der Jubilarin vortragen werden.

Ort: Mendelssohn-Remise, Jägerstraße 51, 10117 Berlin, Eintritt 5/3 EUR, Anmeldung erforderlich bis 12.2.2012 unter mail@literaturwerkstatt.org

Eine gemeinsame Veranstaltung von: Literaturforum im Brecht-Haus, Literaturhaus Berlin, Literarisches Colloquium Berlin, Literaturwerkstatt Berlin, LesArt, Akademie der Künste und Stiftung Preußische Seehandlung.

Mi 20.02. 20:00
Ein Abend mit Tomas Venclova und Durs Grünbein
In Lesung und Gespräch: Tomas Venclova, Durs Grünbein
Moderation: Claudia Sinnig

Mit Tomas Venclova (*1937 Klaipéda, Litauen) und Durs Grünbein (*1962 Dresden) begegnen sich an diesem Abend zwei hochkarätige Lyriker, die einander in Achtung und Freundschaft verbunden sind. Der eine beging seinen 75. Geburtstag, der andere ist gerade 50 geworden. Beide haben die Gedichte des anderen in die eigene Sprache übertragen.
Venclovas Werk befindet sich in »radikaler Frontstellung zum Zeitgeist« und entfaltet gerade deshalb einen kaum noch für möglich gehaltenen sprachlichen Reichtum. Seine Texte, formstreng und traditionsbewusst, stehen ebenbürtig neben denen seiner Weggefährten Joseph Brodsky und Czesław Miłosz. Gemeinsam bilden sie ein osteuropäisches Dreigestirn von weltliterarischem Rang.
Venclovas Sprache (in deutscher Übersetzung von Claudia Sinnig und Durs Grünbein) ist unsentimental im Ton und reich an verborgenen Anspielungen. Der Verlust und das Abschiednehmen bilden den Generalbass dieser lange nachwirkenden Texte.
Zurzeit ist Venclova Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.
Durs Grünbein gilt als die bedeutendste Stimme der deutschen Gegenwartslyrik und als »der talentierte und glückliche Erbe einer langen Tradition« (Die Zeit). Der zuletzt erschienene Band »Koloss im Nebel« (Suhrkamp Verlag, 2012) zeigt den Virtuosen der lyrischen Form auf der Höhe seiner Kunst.
Im Gespräch mit Claudia Sinnig geben Venclova und Grünbein Auskunft über ihr Werk. Beide lesen eigene Gedichte und die deutsche bzw. litauische Übersetzung.

Eine gemeinsame Veranstaltung mit der Botschaft der Republik Litauen.

Do 21.2. 18:00
Europa literarisch: Tschechien
In Lesung und Gespräch: Markéta Pilátová
Moderation: Thomas Wohlfahrt

In der Veranstaltung der Reihe »Europa literarisch« ist die Autorin Markéta Pilátová aus Tschechien zu Gast. Mit Thomas Wohlfahrt spricht sie über ihren neuen Roman »Mein Lieblingsbuch« (Übersetzung Julia Koudela-Hansen-Löve und Christa Rothmeier, Braumüller Verlag, 2012).
In »Mein Lieblingsbuch«, ihrem zweiten Roman, nimmt Markéta Pilátová (*1973 Prag) ihre Leser mit auf eine abenteuerliche Reise: Sie führt von den Slums einer südamerikanischen Megametropole in den Regenwald, in ausgedörrte Hochlanddörfer, weiter nach Polen und dort auf einen historischen Ausflug in die europäische Geschichte.
Die Handlungsstränge laufen in einem Forschungsinstitut zusammen, in dem zum Heil der Menschen Schlangen gepeinigt und getötet werden. Hier begegnen sich die Romanhelden: der ambitiöse und skrupellose Reptilienforscher Vidal, eine der Schlangensprache kundige Halbindianerin, eine Prostituierte, eine Top-Mafiajägerin, ein Heiler, ein homosexueller Psychiater und sein aus Polen stammender jüdischer Vater. Den Rahmen und den roten Faden der spektakulär endenden Romanhandlung aber bilden die Kommentare des geheimnisvollen Tätowierers. Wie Scheherazade aus Tausendundeiner Nacht erzählt er seine Geschichten, deren Motive in seine Tattoos einfließen.
Geschickt verspinnt die junge Erfolgsautorin südamerikanische Folkloremotive mit slawischen Märchen, packende Schicksale mit treffenden Milieuschilderungen – alles fügt sich zu einer fulminanten und rasanten Geschichte.

Ort: Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Unter den Linden 78, 10117 Berlin
Eintritt frei, kein Nacheinlass
Bitte bringen Sie Ihren Personalausweis mit

Um Anmeldung wird gebeten bis zum 18.2.2013 unter http://bit.ly/U3aGZJ

Eine gemeinsame Veranstaltung der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland und der European Union National Institutes for Culture (EUNIC) in Kooperation mit dem Tschechischen Zentrum Berlin sowie der Literaturwerkstatt Berlin.

Mi 27.2. 20:00
Poetic Dialogue London–Berlin (II)
In Lesung und Gespräch: Jack Underwood, Ulf Stolterfoht
Moderation: Martin Jankowski

Was ist los in der englischen Dichtung? Im zweisprachigen Poetic Dialogue zwischen London und Berlin treten der britische Poet Jack Underwood und der Berliner Lyriker Ulf Stolterfoht ins Gespräch. Beide lesen aus eigens angefertigten Übersetzungen ihrer Gedichte und sprechen über die neuesten Entwicklungen in Sachen Lyrik.
Jack Underwood (* 1984 Norwich) ist einer der aktivsten jungen Lyriker der Londoner Literaturszene. Er gehörte 2007 zu den Gewinnern des Eric Gregory Awards. Seine Gedichte erschienen bei Poetry London und Rialto, in zahlreichen Anthologien sowie 2009 im Verlag Faber & Faber im „Faber New Poets“ Programm. Underwood schreibt regelmäßig für die Zeitschriften Poetry London und Ambit. Nach seinem Abschluss an der Norwich School of Art and Design im Jahr 2005 promovierte er am Goldsmiths College, wo er nun englische Literatur und Creative Writing lehrt. Jack Underwood arbeitet auch als Librettist und Musiker und ist Mitherausgeber der regelmäßig erscheinenden Lyrik-Anthologien „Stop Sharpening Your Knives“. Er lebt im Londoner Stadtbezirk Hackney.
Ulf Stolterfoht (*1963 Stuttgart) lebt nach dem Studium der Germanistik und Allgemeinen Sprachwissenschaft in Tübingen und Bochum in Berlin. Einem großen Publikum bekannt wurde er durch den Gewinn des open mike im Jahr 1994 sowie durch die Lyrikbandreihe »fachsprachen« (Urs Engeler Editor), die seit 1998 erscheint. Ulf Stolterfoht wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, etwa 2008 mit dem Peter-Huchel-Preis. Zuletzt erschien 2012 das Hörspiel »Das deutsche Dichterabzeichen« (Reinecke&Voß). Ulf Stolterfoht gilt als avancierter Vertreter einer so poetischen wie poetologischen Lyrik.
Im von Schriftsteller Martin Jankowski (*1965 Greifswald) moderierten Dialog treffen beide Dichter erstmals aufeinander und stellen ihre aktuellen Arbeiten in Lesung und Gespräch vor. Der zweite poetische Dialog zwischen London und Berlin setzt die Auftaktveranstaltung vom November 2012 in neuer Besetzung fort.

Diese Veranstaltung der Berliner Literarischen Aktion e.V. wird gefördert vom Britisch Council mit freundlicher Unterstützung der Literaturwerkstatt Berlin.

Do 28.2. 20:00
Die wichtigsten Lyrikdebüts 2012
Mit Anne-Marie Kenessey, Dagmara Kraus, Hans Unstern, Levin Westermann 
Kurator und Moderator: Christian Metz

Vier der Autoren und Autorinnen, die im letzten Jahr erstmals mit einem eigenen Lyrik-Band an die Öffentlichkeit traten, werden von Christian Metz an diesem Abend vorgestellt. Es sind die wichtigsten Lyrikdebüts des Jahres 2012. Die Dichter sprechen über ihre Arbeit und lesen aus ihren Texten.
Anne-Marie Kenesseys (*1973 Zürich) Debüt »Im Fossil versteckt sich das Seepferd vor dir« erschien in der Edition Klaus Isele. Die NZZ sprach von »virtuosem Wortgestöber« und staunte über die »ungewöhnliche Vielfalt, über den Formwillen« und die »spielerische Attitüde« dieser Gedichte.
»kummerang«, der Erstling von Dagmara Kraus (*1981 Breslau, Polen), 2012 bei kookbooks erschienen, ist »sommerlich heiter und klangsatt« (poetenladen.de). Die Gedichte zeichnen sich aus durch »eine geradezu lexikalische Lust an Sprache« (fixpoetry.com).
Der Musiker und Dichter Hans Unstern (Berlin) debütierte im Merve Verlag mit dem Band »Hanky Panky Know How«. Das Buch enthält, neben den Gedichten, Liedtexte der CD »Kratz Dich Raus«. Der Tagesspiegel spricht im Zusammenhang mit Unstern von der »besseren Lady Gaga«, und Die Zeit nennt ihn den »wohl talentiertesten Skeptiker im deutschen Songwriterpop«.
Levin Westermanns (*1980 Meerbusch) erstes Buch »unbekannt verzogen« erschien bei luxbooks. »Er schreibt Gedichte, in denen sich ein Ich auf sein Verschwinden vorzubereiten scheint.« (Michael Braun); es handle sich um »Protokolle eines imaginären Gangs in die Abgeschiedenheit«. Westermann gewann 2010 den Lyrikpreis des open mike.
Die Auswahl der Autoren für diesen Abend übernahm der Literaturwissenschaftler und Kritiker Christian Metz.
Im Anschluss an die Veranstaltung wird es einen kurzen musikalischen Soloauftritt von Hans Unstern geben.

Mit freundlicher Unterstützung durch Pro Helvetia – Schweizer Kulturstiftung.

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