Maren Kames: „Halb Taube halb Pfau“

„Ich höre“, sagt das lyrische Ich: Tau von den Simsen, den Flusslauf vor dem Haus der Eltern, „das kleine Geräusch das deine / Zunge beim Aufwachen in der Mundhöhle / macht“. Atmosphärische Kindheitserinnerungen – und darin eingeschlossen, ganz nebenbei, ein kleines Familiendrama:

Ich höre unsere Mutter unseren / Großvater füttern er ist vier und ballt die / Hände in den Hosentaschen ich höre / unseren Vater das Haus verlassen / die Straße die Stadt

Inneres und Äußeres schieben sich in Maren Kames‘ Gedichten ineinander wie Eisschollen. Mit klarer Stimme entfaltet sie emotionale Landkarten: Mensch und Welt fallen ineinander und sind doch getrennt.

( ) Finde mich, auf der Oberfläche des Planeten liegen, die Knie angewinkelt, und der Wind fährt mir unter den Rücken, in den Mund und zwischen die Beine und der Wind sagt mir, wo mein Körper aufhört und die Luft anfängt, die ganze Luft, und unter mir das submarine Schimmern, der Himmel ist eine relativ weitläufige Angelegenheit, er muss hier gleich in der Nähe sein, aber eine Verbindung kommt momentan nicht zustande.

Ein sprachspielerischer Konsonantentanz in „Shutter Island“, eine Politparodie mit Militärmanöver, und dann ein Einzeiler, der Naturschilderungen und ästhetische Weltwahrnehmung mit der allgemeinen politischen Schieflage verfugt, die als Unterströmung den Gedichten die Richtung gibt:

Auf dem Bergkamm da hinten ist das Land zusammengenäht, hier wird es reißen.

Ihr Können tarnend unter einem dünnen Firnis „kühler Intensität“ (Julia Graf), ist Maren Kames eine vielseitige Virtuosin im besten Wortsinne.

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