Sabine Gisin: „Bob“

„Mein Mann und Bob haben mir den Rücken zugedreht“ – damit ist die Familienkonstellation im ersten Satz schon eingeführt. Sie, vermutlich die Mutter, vielleicht die Stiefmutter, gibt sich Mühe mit dem gespenstisch cleveren Kind, organisiert in ihrer Forschungsgruppe gar einen Kindertag, aber Bob bleibt eisern:

Zum Schluss fragt die Praktikantin: Bob, wer sind deine Vorbilder? Und Bob antwortet: Mein Papa, natürlich.

Bob und der Mann, ein von ihr finanzierter Künstler, sind ein trautes Paar, dessen Geheimsprache Norwegisch ist. „Sie hat wirklich einen großen Arsch!“, sagt Bob – und Lektor Martin Kordic findet, dass Bob die Wahrheit kennt und sich traut sie auszusprechen, während sie den Deckel auf den Mülleimer knallt und die Küche verlässt. „Seine Sprache ist einem Sechsjährigen unangemessen“, denkt sie und beschreibt, wie Bob, Münzsammler und Mineralienspezialist, Zeitungsartikel zerschnipselt nach einem ihr unbekannten System. Ein neuer Oskar, dieses Kind. Statt stumm Aal zu essen, trinkt sie ein Feierabendbier.

Für manche ist Sabine Gisins Text ein Favorit, aber ich finde ein minimal gegen die Klischeekoordinaten Vater – Mutter – Kind verschobenes Beziehungsdreieck nicht per se spannend. Oder ist es revolutionär, dass er eine Berufung, sie aber einen Beruf hat? In Zeiten des Betreuungsgeldes: für manche vielleicht schon.

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