DIE KANDIDATEN VON BEK – GA

Die Kandidaten des open mike 2014. Heute von Bek – Ga

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Gerasimos Bekas

Was lesen Sie grade?
Ich lese oft viele Bücher parallel und werde dann ewig nicht fertig. Gerade: Fernando Pessoa »Der Seefahrer«, James Baldwin »Eine andere Welt«, Andreas Schäfer »Auf dem Weg nach Messara«

Woran schreiben Sie derzeit?
Es gibt zwei Romane. An dem einen schreibe ich schon Jahre. Er spielt vor allem in Griechenland und erzählt die Geschichte einer sehr starken und eigenwilligen Dame.

Aus dem anderen Roman lese ich beim open mike und der schreibt sich gerade sehr flüssig. Nebenbei arbeite ich an kleineren Geschichten, Theatertexten, ab und zu Lyrik.

Warum schreiben Sie?
Wenn ich sagen könnte, warum ich schreibe, würde ich aufhören können zu schreiben.

Was bedeutet literarische Tradition für Sie?
Ich halte nicht viel von Tradition. Natürlich prägt mich, was ich gelesen habe, aber das Etikettieren von Autoren hat mich nie interessiert. Wie viele großartige Autoren kommen nicht klar, weil sie nicht in die Mode passen? Das ist mies.

Tradition ist auch eine Falle, weil sie eine Einheitlichkeit vorgibt, die nicht als Fahrplan taugt.

Ich lese vielleicht den Roman eines Autoren, der über zwanzig geschrieben hat, und den lese ich nur zur Hälfte. Dabei fällt mir irgendwas auf, was ich schon mal woanders gelesen habe oder etwas, das ich besser machen will … Kurz gesagt, aus Splittern und Mosaiksteinchen bastelt jeder sein literarisches Fundament.

Welches Buch/ welcher Autor/ welche literarische Figur beeindruckt Sie?
Es gibt immer wieder Bücher, die so aktuell sind, dass sie nicht in die Zeit passen. Zum Beispiel bei Robert Merle mit »Der Tod ist mein Beruf« oder Vassilis Vassilikos mit »Z«; und ich verehre Kazantzakis, Kavafis, Gorki, Dostojewski, Joseph Roth und Böll. Nicht zuletzt, weil ihre Figuren auf eine schöne Art verlieren.

Erster Satz/Vers Ihres open mike-Textes?
»Manche Leben haben Überlänge.«

Gerasimos Bekas
Gerasimos Bekas

Gerasimos Bekas wurde 1987 in Ostwestfalen geboren und verbrachte seine Kindheit in Griechenland und Franken. Er studierte Politikwissenschaft in Bamberg und arbeitet heute als Autor und Theatermacher. Er lebt in Berlin und Athen. 2013 gewann er bei »Radikal Büchner« von ZDF und Bauhaus Dessau. Er ist Mitglied der Bayerischen Akademie des Schreibens 2014.

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Özlem Özgül Dündar

Was lesen Sie gerade?
Den Gedichtband »erinnerung an einen rohstoff« von Martina Weber und den Band von Adrian Kasnitz »innere sicherheit« habe ich zuletzt gelesen. Dabei ist lesen für mich bei Lyrik auch immer ein wieder und wieder lesen. Wenn mir etwas gut gefällt, dann lese ich es so lange bis ich die Stimme des Ichs, die Bilder voll aufgenommen habe. Wenn ich einen Autor finde, dessen Themen und Bilder neue Bilder in mir freisetzen, dann möchte ich das am liebsten gar nicht mehr loslassen, weil es so kostbar ist.

Woran schreiben Sie derzeit?
An Gedichten. Daran arbeite ich eigentlich immer. Auch wenn ich nicht schreibe. Im Moment bin ich dabei meine Gedichte zu einem Band zusammenzustellen, der in sich kompositorisch geschlossen ist. Ich mag diese Idee der Komposition aus der Musik und denke, dass man sie auch gut auf Lyrik anwenden kann. Auch wenn jedes Gedicht für sich stehen kann, gibt es auch eine Bewegung von einem Gedicht zum anderen. Eine Dynamik zwischen den Gedichten, den Bildern, die einander umschließen und das Ich natürlich. Das bewegt sich zwischen den Versen aller meiner Gedichte. Wie eine Wahnsinnige springt sie im Dreieck und sucht die Dinge, die zusammengehören, die vielleicht einmal eins waren und jetzt verstreut in der Welt liegen, die zu ihr wollen, aber den Weg nicht kennen.
Und an einem Theaterstück arbeite ich gerade. Wie immer bei Literatur ist mir dabei die Sprache sehr wichtig. Im Gedicht passiert Sprache zwischen den Gedankenwelten des Ichs und im Theaterstück passiert es zwischen den Figuren, die aufeinanderstoßen. Beides sind für mich Textformen, die viel Raum lassen für die Gestaltung von Sprache.

Warum schreiben Sie?
Das ist eine seltsame Frage, und wenn man anfängt darüber nachzudenken, wird sie immer seltsamer. Das Schreiben ist für mich mehr das Resultat einer Wahrnehmungsform und einem Drang danach, es in eine literarische Sprache zu übersetzen. Wenn ich durch die Welt laufe und Bilder sehe, Menschen, die irgendetwas machen, denen etwas passiert, dann halte ich inne und schaue. Ich kann dann nicht weitergehen. Ich muss stehen und sehen. Und diese Bilder begleiten mich, formen sich weiter in meinem Kopf und lassen mich nicht los und ich spüre ein Bedürfnis danach es künstlerisch mitzuteilen. Da mir Sprache am nahesten ist von allen künstlerischen Formen, schreibe ich. Wenn ich nicht schriebe, müsste ich – glaube ich – schreien, weil das, was ich denke und fühle, zu keinem Ausdruck käme. Dabei meine ich immer nicht die normale Sprache, die wir zur alltäglichen Kommunikation gebrauchen, sondern die literarische.

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Auf dem Sprung. Von einem zum anderen. Geheimnisse, die in Hinterköpfen schlummerten und die an die Oberfläche gekrochen sind. Von einem zum anderen auf dem Sprung. Die Stille suchend. Kryptisch nehme ich wahr – mich selbst. Immer wieder suchend. Nach der Stille.

Erster Satz/Vers Ihres open mike-Textes?
wenn die moleküle flimmern

Özlem Dündar. Foto Dinçer Güçyeter
Özlem Dündar. Foto Dinçer Güçyeter

Özlem Özgül Dündar wurde 1983 in Solingen geboren und lebt in Leipzig. Sie studierte Literatur und Philosophie in Wuppertal. Auslandsaufenthalte in Irland, der Türkei und in Paris. Freie Mitarbeit bei der Zeitschrift Federwelt 2008. War Teilnehmerin der Darmstädter Textwerkstatt I (2010–2011). Aktuell Teilnehmerin der Darmstädter Textwerkstatt II bei Martina Weber. Seit Oktober 2014 Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Schreibt Lyrik, Prosa und Theaterstücke. Veröffentlichungen in den Zeitschriften außer.dem, Zeichen & Wunder, Federwelt, Dreischneuß und in Anthologien, zuletzt in Kasinostraße 3 des Poetenladens in Leipzig (2014). Nominiert für den Düsseldorfer Förderpreis 2010. Ausgezeichnet mit dem Merck-Stipendium in Darmstadt 2011. Einladung zur ersten Leserunde des Münchner Lyrikpreises 2014. Stipendiatin beim deutsch-türkischen Übersetzungsprojekt des Goethe-Instituts in Istanbul 2014. Übersetzungen ausgewählter Gedichte von Hilmi Yavuz vom Türkischen ins Deutsche, veröffentlicht unter dem Titel »wenn die zeit kommt – sırası gelince« beim Elifverlag in Köln (2014). Nominiert für den Retzhofer Dramapreis 2015.

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Marie Gamillscheg

Was lesen Sie grade?
»Wie im Wald« von Elisabeth Klar

Woran schreiben Sie derzeit?
An viel zu viel gleichzeitig

Warum schreiben Sie?
Es wird immer kitschig sein, stimmt aber einfach: Weil es mich glücklich macht.

Welches Buch/ welcher Autor/ welche literarische Figur beeindruckt Sie?
»Die Stadt der Blinden« von José Saramago

Erster Satz/Vers Ihres open mike-Textes?
»Der Wisewsky ist tot.«

 

Marie Gamillscheg
Marie Gamillscheg

Marie Gamillscheg wurde 1992 in Graz geboren. Sie studierte Germanistik und Transkulturelle Kommunikation mit den Sprachen Französisch und Russisch in Graz. Seit 2014 studiert sie im Master Osteuropastudien an der FU Berlin. Sie war als freie Journalistin unter anderem für Die Welt, The European und Café Babel tätig. Darüber hinaus war sie Jurorin und Werkstattbetreuerin bei der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz. 2012 war sie unter den besten 10 beim Fm4-Wortlaut-Wettbewerb des ORF. 2014 erschien eine Veröffentlichung in den »Lichtungen«, außerdem war sie unter den besten 20 beim Fm4-Wortlaut-Wettbewerb des ORF und Stipendiatin der »Werkstatt für junge Literatur« in Graz. Im November 2014 nimmt sie als Finalistin an der Floriana-Biennale teil.