Martin Piekar: open mike 2012 und so fort

Morgen abend stellen Jens Eisel, Verena Güntner und Martin Piekar ihre literarischen Debüts im Heimathafen Neukölln vor. Für uns hat Martin Piekar aufgeschrieben, wie er den open mike und den Weg zum Debüt erlebt hat.

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 Martin Piekar: open mike 2012 und so fort

Ja, wie war das mit dem open mike 2012. Ich habe gewonnen. Das ist das Sediment, woran sich die Leute noch hauptsächlich erinnern. Da war aber viel mehr. Ich habe zum dritten oder vierten Mal am open mike teilgenommen und kam endlich ins Finale. Als ich Jutta Büchters Mail mit der Bestätigung, einer der Finalisten zu sein, bekam, habe ich einen Freudenschrei durch die Wohnung geschickt. Meine Mutter hielt mich für verrückt. Ganz klipp und klar, verrückt. Sie verstand erst nicht, was der open mike bedeutet. Allein Finalist zu sein ist ein großer Sprung für Autoren, ob Kurz- oder Langprosa, ob Gedichte, Poeme, ob Klangpoesie oder lyrisches Experiment. Wer beim Open Mike ins Finale kommt, erweckt die Aufmerksamkeit des dubiosen, ominösen »Literaturbetriebs«.

Das Wort Literaturbetrieb ist sehr industriell gesehen. Wir sind keine Fabrikate. Ich möchte es lieber Literaturszene nennen: es sind Autor*Innen, Verleger*Innen, Lektor*Innen und für Prosarier*Innen auch Agent*Innen. Letztere gibt es in der Lyrik kaum bis überhaupt nicht. Lyrik ist eine kleine Szene. Mag sie doch erstmal riesig auf die eine oder den anderen wirken, welche sich auf neues Terrain wagen, so ist sie eigentlich eine Gruppe, in der jede/r irgendwie jede/n kennt. Irgendwie und wenn über paar Ecken und/oder Facebook. Ich kannte zuvor einige Lyriker*Innen persönlich und danach, ja nach dem Preis beim open mike fühlte ich mich voll dazugehörig. Bitte nicht falsch verstehen, der Preis ist keine Rechtfertigung, mich jetzt als Autor betiteln zu dürfen und einem elitären Club beizuwohnen. Ganz im Gegenteil. Es war eine Selbstbestätigung für mich. Für Andere war diese Auszeichnung auch das erste, was sie von mir gehört hatten, anderen freuten sich für mich, weil sie mich persönlich oder zumindest aus Literaturzeitschriften kannten. Der Preis war also auch die Möglichkeit, neue Autor*Innen kennen zu lernen und bekannter zu werden. (Ich rede hier nicht von einem Bekanntheitsgrad um den ich buhle, ich rede von einem Bekanntheitsgrad, den sich bestimmt viele Dichter*Innen für ihre Werke wünschen.)

Der Preis ist Prestige und Aushängeschild und irgendwie auch Qualitätskontrolle. Wenn ich mir die Preisträger der vergangenen Jahre anschaue, sind heute einige Bekannte und einige Freunde darunter. Qualitätskontrolle? Soso. Ich schreibe also für Preise? Und lasse dann die Jury abnicken? Nein. Ich bin mit einer olympischen Motivation hingefahren. Viele meiner Mit-Finalist*Innen waren schon zuvor Bekannte oder Freunde. Ich wusste, mit wem ich lesen werde. Ich sprach nie von gegen und möchte es auch heute nicht. Ich las um zu zeigen, wer ich bin, wer meine Gedichte sind. Ich hörte andere Dichter*Innen und freute mich, so gute Konkurrenz zu haben. Eine gesunde Konkurrenz, keine niederträchtige. Ich könnte jetzt sagen, am Ende hätten es alle verdient, aber das stimmt ja auch. Viel wichtiger ist, wie es weiter ging.

Sascha Kokot hatte bereits einen Veröffentlichungstermin für seinen Gedichtband. Tristan Marquart folgte. Zwei Mit-Finalisten, die ihre tollen Bände noch vor mir veröffentlichten. Rike Scheffler und Linus Westheuser veröffentlichten nun dieses Jahr. Wie kommt man dazu?

Nun, zu allererst ist es nicht das Wichtigste zu gewinnen. Es ist das Wichtigste dabei zu sein, sich zu präsentieren und die eigene Dichtung präsentieren zu können. Sich zu zeigen, eigene Werke und Arbeiten vorstellen zu dürfen. Wie man dann an einen Verlag kommt? Man wird irgendwie in den Verlag gezogen, und das meine ich nicht böse. Ein Verlag hat eine Vorliebe, eine Tradition, eine Richtung. Ich kam zum Verlagshaus J Frank. Ein Indie-Verlag. Ich finde das unheimlich wichtig. Ich möchte, dass mein Verlag genau das tut, was er für richtig und gut hält. Was er verlegt, muss er voll und ganz vertreten, schließlich muss der Verlag damit auch mich vertreten und ich möchte, dass der Verlag hinter mir steht. Ich habe beim Verlag angefragt, ich wurde empfohlen, Verlagsautoren kannten mich schon, und meine Art und Weise zu schreiben hat begeistert. Das hätte nicht bei jedem Verlag geklappt. Das muss es auch nicht. Dafür haben wir unterschiedliche Verlage und vor allem die kleinen Indie-Verlage, die eine große Varianz an Neuveröffentlichungen aufweisen können, die Experimente machen, die Ausgrabungen alter Schätze vornehmen. Das ist wichtig, und diese Varianz ermöglicht auch einem Sonderling wie mir einen Verlag zu finden, der überzeugt von mir und meiner Dichtung ist.

Das war sehr schön. Der open mike war dabei ein riesengroßes Werbeschild. Die Vorauswahl der Finalisten durch Lektor*Innen scheint mir sehr gut mit der Finaljury aus Autoren zu harmonieren. Ich möchte nicht sagen, diese Art und Weise der Auswahl wäre nicht willkürlich, aber einer gewissen Willkür kann man nicht entkommen. Weswegen es eben nicht das Wichtigste ist zu gewinnen, sondern einfach zu schreiben. Schreiben und einreichen. Es war, wie geschrieben, nicht mein erster Versuch beim Open Mike teilzunehmen, und ich konnte nach den Finallesungen auch nicht mit Überzeugung sagen: Ja, ich mach das, ich gewinne. Ganz und gar nicht, bei der Konkurrenz war es auch überraschend für mich. Es war überraschend schön.

Nach dem Open Mike, am Anfang des Folgejahres, gibt es einen Workshop für alle Finalist*Innen. Jener war sehr hilfreich und sehr schön! Man hatte Spaß seine Mit-Finalist*Innen wieder zu sehen, sich zu unterhalten, sich noch besser kennen zu lernen, keinen Wettbewerbsdruck zu haben und gemeinsam an Texten arbeiten zu können. Zur Textarbeit gab es auch Hilfen von Tutor*Innen, den jeweiligen Lektor*Innen aus der Vorauswahljury und von zwei weiteren Autor*Innen. Hier gab es die Möglichkeit, tief in einen Lektoratsprozess reinzuschnuppern – natürlich nur ein kleiner Ausguck. Denn mein Lektorat für mein erstes Buch hatte viele Etappen, hatte auch lange Durststrecken, hatte viel Zeit für Entwicklung und viele Möglichkeit. Es war ein anderer Zeitdruck. Es war auch eine andere innere Einstellung. Denn nach dem Verlagslektorat wird das Gedicht gedruckt und ist somit in einer »finalen« Form. Natürlich kann man immer noch daran arbeiten. Man kann immer an Gedichten arbeiten. Vielleicht leiden Gedichte auch darunter, dass sie niemals fertig werden, aber das ist eine andere Baustelle. Ich schreibe nun fleißig weiter, einen zweiten Band möchte ich irgendwann nachlegen, aber Druck habe ich dafür erstmal keinen. Ich freue mich noch über meinen kleinen Bastard. Ich verfolge andere Wettbewerbe für junge Literatur. Ich halte Ausschau, wo ich Freund*Innen die Daumen drücken darf und was es Neues gibt an und in der Literatur(szene).

Ich freue mich auf den open mike dieses Jahr. Ich habe schon Freundes-Favoriten. Und Sie? Ihr? Du?

Ich wünsche uns allen viel, viel Spaß.

Martin Piekar, © HansPraefke
Martin Piekar, © HansPraefke

Martin Piekar hat 2012 den Lyrikpreis des open mike gewonnen, in diesem Jahre erschien sein Lyrikdebüt »Bastardecho« im Verlagshaus J. Frank.

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