Sandra Burkhardt: „Gedichte“

Ein großer Einstieg, ein hoher Anspruch. Die zwölf Gedichte, die die 1992 geborene Sandra Burkhardt eingereicht hat, sind nicht einmal mit einem Titel versehen, sondern werden schlicht unter Gedichte subsumiert. Noch bevor wir ein Wort von der Lyrikerin selbst zu lesen beziehungsweise zu hören bekommen, wird uns ein Zitat des italienischen Renaissancedichters Francesco Petrarca präsentiert. Hier hopst nicht jemand vom Ein-Meter-Brett ins Planschbecken, sondern springt mit Salti vom 10-Meter-Brett ins tiefe, tiefe Wasser.

Gleich die ersten beiden Verse geben die stilistische Stoßrichtung vor:

Es gibt Tiere auf der Welt, die sich unterscheiden
im Hinblick zum Licht, und es geht um den Umgang damit.

Das erinnert an die fantastischen zwei Verse von Durs Grünbein: „Wenn es stimmt, daß wir schwierige Tiere sind / Sind wir schwierige Tiere weil nichts mehr stimmt.“ Wie gesagt: Es ist der ambitiöse Versuch eines großen Wurfs, für den man der Autorin Respekt zu zollen hat.

Es ist ein sehnendes Lustwandeln in Begriffen und Bildern eines italienischen Paradieses, wie es seit vielen Jahrhunderten von deutschen Dichter*innen entworfen wird. Die zwölf Gedichte lassen in einer nie explizit aufgelösten Dialogsituation Stimmen zu Wort kommen. Treffen sich hier im ahistorischen Raum der Lyrik ein Ich aus dem Jetzt und ein Du aus der italienischen Renaissance? Oder fabuliert hier jemand vor sich hin, der gerade die Gesammelten Gedichte von Petrarca im Antiquariat gekauft hat? Gerade das hat die Lektorin Daniela Seel, die Burkhadt zur diesjährigen Ausgabe des open mike geholt hat, in ihrer kurzen Einführung hervorgehoben:

Hier käme ein Ritual des Dialogischen zu sich, hier fänden Stimmen zueinander, nicht um sich zu standardisieren, sondern um im Respekt der jeweiligen Eigenheiten ein lyrisches Miteinander zu gestalten. Ja, das ist Pathos, das ist womöglich ein etwas parfürmierter Anspruch, aber es funktioniert tatsächlich – womöglich gerade weil die Gedichte in eine schräge Geschichtlichkeit kippen, anstatt postmoderne Begrifflichkeiten durchzudeklinieren. Einziges Mankum: Die Autorin scheint beim Lesen unsäglich angeödet zu sein von ihren eigenen Versen – aber vielleicht ist das auch nur ihre Art von Schüchternheit.

 

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