Markus Ostermair: „Karl Maurers Streifzug“

Viele Autoren bewegen sich gerne in ihrer eigenen Realität und verarbeiten selbst Erlebtes oder eigene Gefühle. Markus Ostermair hat für seinen Text „Karl Maurers Streifzug“ einen Protagonisten gewählt, der vermutlich weit von seinem eigenen Selbst entfernt ist: Karl Maurer ist obdachlos und bettelt auf den Straßen Münchens.

Wir hören einen Ausschnitt aus Karl Maurers Leben auf der Straße, die ein ganz eigener Mikrokosmos ist. Da gibt es die verschiedenen Arten und Weisen nach Geld zu fragen— Jeder hat seine eigene Taktik. Und da sind andere Menschen, die mit ihm diese Art zu leben teilen, zum Beispiel Mechthild, die Schöne.

Karl Maurer lebt zwar auf der Straße. Doch auch hier gibt es Strukturen: Das Betteln ist Beschäftigung, ja, sogar Arbeit. So lässt Ostermair seinen Protagonisten von der „Schicht“ sprechen und vom „Feierabend“ nach getaner Arbeit:

Und dann kommt es während der Schicht noch darauf an, sich die Zeit zu vertreiben. Die Zeit und mit ihr alles, was sie hinter sich herzieht wie eine dreckige Flut, die Gedanken an früher, als man noch wer war, als man noch anders durch die Stadt spazierte, flanierte, sich nicht genierte, wofür denn auch?

Wer ist Karl Maurer, wie ist er da hin gekommen, auf die Straßen Münchens? Wie wird es mit ihm weitergehen? Der Textauszug liegt in einem dichten, weißen Nebel. Doch das ist gar nicht so wichtig. Viel wichtiger: Der auf der Straße lebende Karl Maurer ist ein Flaneur.

Zum Ende hin lässt Ostermair noch zwei Zitate in den Text einfließen: Walt Whitmans berühmtes „O Captain! My Captain!“ findet sich auf einem mit Edding bekritzelten Container. Eine geheime Botschaft? Ist Karl Maurer der „fearful drunken soldier“? Ist das sinkende Schiff die Welt? Auch ein Bibelzitat arbeitet Ostermair in seinen Text ein. Beide Zitate bleiben aber kontextlos für sich stehen. Und der ganze Text flaniert weiter ohne große Überraschungen vor sich hin und lässt viel Raum für eigene Gedanken.

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