New Readings | Mareike Schneider: Alte Engel

Auch im Frühling 2018 erscheinen wieder viele spannende Prosa- und Lyrikdebüts. Einige von ihnen stellen wir in den kommenden Wochen vor. Den AutorInnen haben wir ein paar Fragen zur Literatur und Person gestellt.
Heute: Mareike Schneider


Franka Raben, Kunststudentin mit Katze, kommt in die Heimatstadt ihrer Mutter, um ihrem Vater bei der Pflege der Großmutter unter die Arme zu greifen – und auch, weil es sonst gerade keinen Platz für sie gibt.
Oma Maria, die früher zur Begrüßung stets mit ausgebreiteten Armen am Hoftor gewartet hat, behauptet nun, blind zu sein, verlässt das Haus nur noch unter Geschrei und nölt das Ende eines jeden Tages herbei. Frankas Vater, ihr Schwiegersohn und routinierter Kiffer, kümmert sich um sie, pflegt hingebungsvoll ihren Garten, repariert Dinge und wird von der Großmutter trotzdem konsequent nur »der Moa« genannt. »Der Moa«, das ist die Mundart des Vogtlands, aus dem Maria einst zu ihrem Mann kam und das sie zeit ihres Lebens vermisst hat. In ihren Erinnerungen, die sie oft mit ihren Nächsten geteilt hat, erstehen Menschen, Länder, Hunde und alte Bräuche wieder auf, z.B. das »Neunerlei« am Weihnachtsabend: auf neun verschiedene Arten belegte Brote, von denen man jeweils nur eines essen darf, damit man Glück hat im neuen Jahr.

Glück, das war in dieser Familie ein rares Gut, aber: »Die spannenden Geschichten sind ja eher immer die, in denen irgendwas Schlimmes passiert, nicht wahr.«
In Mareike Schneiders Debüt Alte Engel sehen alle dem Sterben der Patriarchin entgegen, als sei es die Lösung unausgesprochener Konflikte. Mit erzählerischer Wucht und Originalität bringt sie uns die Geschichte einer Familie nahe, die ihre Mitte lange vor dem Tod der Großmutter verloren hat – und sich doch nicht von ihr lösen kann.

»Mareike Schneider hat einen zarten, tiefgründigen und dabei ganz und gar unsentimentalen Roman über das geschrieben, was jeden angeht: Familie und Heimat, Alter und Krankheit – und die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt.«
Thomas Klupp


Wie lautet der erste Satz deines Debüts?

»Ich hatte nur eine Großmutter.«

Bist du mit ihm zufrieden? Warum (nicht)?

Es ist der erste Satz des Prologs. Ich finde ihn in Ordnung, aber er funktioniert eigentlich nur in Kombination mit dem zweiten Satz wirklich gut. Den ersten Satz des Haupttextes mag ich lieber, weil er einen sehr direkt im Geschehen verortet.

Was gefällt dir am besten am Schreiben? Und was findest du am unangenehmsten?

Ich liebe diese kreativen Orgasmen, in denen der Text wie von selbst aus mir herausfließt. Und wo wir gerade so ein nettes Bild haben: Mich mühsam in den Arbeitsprozess an sich quälen zu müssen, fühlt sich schlimmstenfalls an, als würde ich mich zum Sex zwingen.

Wenn du könntest, welchen Rat würdest du deinem Ich von vor zehn Jahren geben?

Wechsle vom Nebenfach ›Musik‹ zu ›Kunst‹.

Bereust du etwas? Was?

Ja.

Welches Gericht kochst du am besten?

Erster Gedanke: Ich mache sehr sehr gute Brötchen.
Zweiter Gedanke: Wenn ich ein gutes Rezept habe, koche ich alle Gerichte am besten.
Dritter Gedanke: Ich glaube, ich koche ohne nachzulesen ein ziemlich gutes Frikassee.
Vierter Gedanke: Aber das interessiert doch niemanden.


Mareike Schneider, geboren 1981, lebt in Leipzig. In Hildesheim studierte sie Kreatives Schreiben und Kulturwissenschaften, initiierte Lesungen, Kleinkunstprojekte und war aktives Mitglied des Theater-Projekts »4Wände«. 2014 wurde sie beim open mike mit einem Preis ausgezeichnet.


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