New Readings | Sebastian Unger | Die Tiere wissen noch nicht Bescheid

Auch im Frühling 2018 erscheinen wieder viele spannende Prosa- und Lyrikdebüts. Einige von ihnen stellen wir in den kommenden Wochen vor. Den AutorInnen haben wir ein paar Fragen zur Literatur und Person gestellt.
Heute: Sebastian Unger


»Die Tiere wissen noch nicht Bescheid ist schon wahrlich ein groszes kleines Buch zum Drama des Ausdrucks. Und diese ganz formidable gegenständliche, handgreifliche Abstraktion!« – Tim Trzaskalik

SEBASTAN UNGER vereint in seinem Lyrikdebüt die Sujets Tiere und Anatomie mit Reflexionen zur Sprache; ein gänzlich neues Koordinatensystem, in das das Thema der Körperverhältnisse übertragen ist, düster und doch komisch. Voll heroischer Ironie verweigert sich der Dichter dem Abgesang auf die Natur, doch statt ihr nachzutrauern, geht es ihm um die Kunst, ihre Vergeblichkeit zu entfachen, sie zum Lodern zum bringen. Wir erleben einen Niedergang der Zeichen – im triumphalen Sinne – von Blitzen, in deren Grelle die Natur sich über sich selbst beschwert, während der Dichter auf ihrem überforderten Rücken zum Scheitern aus Passion und Profession bläst. Könnten die Verse eine Arche sein! Doch das Holz – und das ist Programm – widersteht dem Schreiner. Und das Metall lehnt sich gegen den Schmied auf. In einer ungeheuerlichen Taxonomie »denkbarer Tiere«, zugleich in einer vollkommen neuen Physik der Sprache baut Unger eine Natur aus Syntax und Wohnformen. Rasch gelangen wir dorthin und können dazugehören, auf dass uns die Tiere »als einen der ihren erkennen« – wüssten sie doch Bescheid!


Wie lautet der erste Satz deines Debüts?

Vom Fahrrad aus gut zu erreichen: der Wind
sind die heimlichen Berge im Norden
gegenlenken, um normal zu sein

Bist du mit ihm zufrieden? Warum (nicht)? – Ja, aber. Ich bleibe versuchsweise bei Versen aus dem Gedichtband.

Entsteht erst Schale
das Widrige (ist der Gegenstand ein Echo)
ein Wortbrechen, das erst einmal heranwachsen muss
Fleisch, geträumt
zuwider allem Besprochenen

Was gefällt dir am besten am Schreiben? Und was findest du am unangenehmsten?

erinnerte sich, wie ihm die Gedanken am Körper hinabliefen
Ameisen aus der Faust entkamen, wenn er nach ihnen griff
zu leben begannen

 Wenn du könntest, welchen Rat würdest du deinem Ich von vor zehn Jahren geben?

Der Satz hinauf im Treppenhaus ist flink, der Fuß im Sinn
schon Konnotation: Abtritt auf Holz
steht fest
Abtritt der Finger nach oben
wie durch Rotoren oder nie dorthin gelangt

Bereust du etwas? Was?

der Schädel in seiner Wildentschlossenheit
ein starres Ding

 Welches Gericht kochst du am besten?

 das Essen mit Messer und Gabel, das ein Schneebrett löst


Sebastian Unger, geboren 1978 in Berlin, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Kulturwissenschaften in Ff/O. Veröffentlichungen von Gedichten sind in Zeitschriften und Anthologien zu finden (u.a. im Jahrbuch der Lyrik, in Edit, Bella Triste, Gegenstrophe, der poet und auf lyrikline.org). 2011 erhielt er den Lyrikpreis des 19. Open Mike. Die Arbeit an seinen Gedichten wurde 2014 mit dem Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste und 2015 mit dem Arbeitsstipendium für Literatur des Berliner Senats gefördert. Sein Lyrikdebüt Die Tiere wissen noch nicht Bescheid erscheint im April 2018 bei Matthes & Seitz Berlin. Er lebt in Berlin und derzeit auch in Shanghai.


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