New Readings | Tom Müller: Die jüngsten Tage

Vor neun Jahren war Tom Müller Finalist beim 18. open mike. Nun ist sein Debüt im Rowohlt Verlag erschienen und wir haben ihm ein paar Fragen dazu gestellt.

Tom Müller: Die jüngsten Tage
© Annette Hauschild

Jonathan Buck steht am Bahnsteig nach Berlin, er wartet auf den Zug. Die Mutter seines Jugendfreundes Strippe will ihn dringend sprechen, und es gibt keine Ausflucht mehr. Denn Strippe ist tot, und seine Mutter will von Jonathan hören, was war und was jetzt werden soll. Das Einzige, was Jonathan will, ist neben Elena im Bett liegen, d’Annunzio lesen, rauchen. Kalte Tomatensuppe löffeln, sich an früher erinnern, an die Berliner Nachwende-Jugend, als alles möglich schien. An Strippes Seite. 
Vor dreißig Jahren, im Vakuum der Wendejahre, haben sie Sinnlichkeit gesucht und neue Idole. Sie wollten Helden sein im Aufstand der Gefühle. Strippes Tod zwingt Jonathan Gericht zu halten, über sich, die Zeit und seine Träume. Die Trauer macht etwas mit ihm, das er nicht steuern kann. Mit etwas Glück wirft der Schaffner ihn auf halber Strecke aus dem Zug. Geht doch. Ludwigslust. 
Tom Müller erzählt die Geschichte einer Freundschaft, die immer an die Grenzen ging, erzählt von Aufbruch und Übermut, die kein Maß kannten. Die jüngsten Tage ist cool und voller Emphase: eine sentimentale Reise zwischen Hamburg und Berlin, Kindheitsabenteuern und Gegenwartseskapade, italienischen Dichtern und deutschen Zügen. Mehr Schmerz, mehr Witz, mehr Aufruhr war selten. Ein herausragendes Debüt. 


Was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?

Fantastico, dachte ich, und wartete auf die kleinen Explosionen in der Stirn, aber dann war es auch komisch, weil das Buch jetzt nicht mehr in meinem Kopf war, sondern in meiner Hand lag. Wir haben uns dann über den Nachmittag langsam angenähert.

Wie lautet der erste Satz deines Debüts?

Am Rand steht ein Kind und faucht.

Was gefällt dir am besten am Schreiben? Und was findest du am unangenehmsten?

Ich finde es wunderbar, wenn sich Knoten lösen, so ganz unvorhergesehen, drei Tage war nur Regenwetter und man kam nicht weiter, und dann, während man die Zähne putzt oder die Espressomaschine zuschraubt, eccolo!, der Einfall. Tanzen hilft da auch meist ganz gut.

Wenn du könntest, welchen Rat würdest du deinem Ich von vor zehn Jahren geben?

Lass dir Zeit, du musst nicht sofort liefern. Manches muss erst unbemerkt reifen, bevor es genießbar wird. Und wenn es soweit ist, mach dein Ding. Wenn es dir nichts bedeutet, wird es auch anderen nichts bedeuten. oder vielleicht doch, vielleicht kann man gerade mit Kalkül viel erreichen, aber dann ist es trotzdem bloß Teil der großen blassen Blase der Warenwelt.

Bereust du etwas? Was?

Bestimmt, manches, aber jeden Tag etwas anderes, und am nächsten wieder gar nichts mehr. Um es abschließend einschätzen zu können, ist es noch zu früh.

Mit welchem Autor / welcher Autorin würdest du gern mal ein Bier trinken gehen?

Eigentlich tue ich das mit verschiedenen Autorinnen und Autoren sehr regelmäßig.


Tom Müller, geboren 1982 in Berlin-Friedrichshain, ist im Niemandsland neben dem Flughafen Schönefeld aufgewachsen und in Neukölln zur Schule gegangen. Er studierte Romanistik und Germanistik in Tübingen, Pisa und Perugia. Tom Müller ist Verlagsleiter des Tropenverlages, Mitglied der Gruppe »Arbeit an Europa« und Initiator der Berliner Read Parade. Er lebt in Berlin. Sein Debütroman Die jüngsten Tage steht auf der Shortlist für den ZDF-»aspekte«-Literaturpreis. 

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