Clara Heinrich: Gedichte

Was bedeutet es in unserer heutigen Gesellschaft, eine Frau zu sein? Clara Heinrich schleudert dem Publikum ihre Gedichte über die Fallstricke des modernen Feminismus regelrecht entgegen.

»Keine Ahnung, warum sie jetzt den open mike gewinnen möchte – oder unterwandert sie ihn bereits, kaum dass er begonnen hat?« Ihr Lektor stellt Clara Heinrich mit einem Satz vor, der zunächst unpassend für einen Wettbewerb klingt. Doch kaum fängt die Lyrikerin an zu lesen, wird schnell deutlich: Auf der Bühne sitzt eine junge Frau, die sich unter keinen Umständen die Butter vom Brot nehmen lässt. Ihre Gedichte mit Titeln wie »Exes Denied« oder »Phallostrophe« verhandeln einen zeitgenössischen Feminismus, der keine Tipps zur Selbstoptimierung oder Selbstbestimmung geben will, sondern die Ungerechtigkeiten mit voller Wucht in die Welt schreit:

bei vergewaltigung fragen sie:
ob du es nicht doch wolltest
ob du dir sicher bist are you
sure? dein sicherheitsbedürfnis
körperschaftsteuerung juris

Clara Heinrich kostet jede einzelne Silbe ihrer Texte aus, sie spuckt die Worte geradezu heraus und legt in sie all die Wut, den Ekel und die Abscheu über die Bevormundungen des weiblichen Körpers. Paragraf 219 und das so genannte »victim blaming« bei Vergewaltigungsopfern werden ebenso thematisiert wie das ständige Epilieren und Zupfen und Cremen, um etwas Selbstverständliches zu verstecken: Dass der weibliche Körper – ebenso wie der männliche – aus Körperflüssigkeiten und Ausdünstungen besteht.

mein feminismus fühlt sich an
wie kassandras prognosen
es scheint, alles was wir erreicht haben
ist: hosen zu tragen
die röcke (secondhand) abgegeben
accessoire: global care chain

Clara Heinrichs Gedichte sind ein dichtes Konglomerat aus Assoziationen, ein wilder stream of consciousness mit unzähligen Verweisen auf Markennamen, Werbeslogans, popkulturelle und politische Bezüge, die man mitunter nicht alle versteht. Doch das muss man auch nicht: Der Sinn wird mit jeder Zeile fühlbar.

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