Nadine Sieger: Irma

Nadine Sieger eröffnet mit ihrem Text Irma den 27. open mike. Kein einfaches Los, aber nach der begeisterten Einführung von Lektor Günther Eisenhuber beginnt sie, mit sicherer Stimme loszulesen.

Der Text nimmt uns mit in die Karibik, wo der Vater einer deutschen Familie während des Hurricane Irma ums Leben gekommen ist. Sein Leichnam soll nach Deutschland überführt, die Besitztümer gesichtet und verkauft werden. Viel zu tun für die Ich-Erzählerin und ihre Schwester. Die Insel liegt in Trümmern, doch bei ihnen scheint die Einsicht, dass der Vater tot ist, noch nicht recht angekommen zu sein. Es herrscht Pragmatik, wann gehen die Flüge? Wie kommen sie zum Haus des Vaters? Wie kommt der Sarg zum Flughafen? Der Schmerz mag sich noch nicht einstellen.


Das Dach des alten Hauses, auf das mein Vater gestiegen war, um vor dem Sturm noch die undichten Stellen abzudecken, war nur noch ein braunes Gerippe, durch das man hindurchschauen konnte.

Irma wird getragen von einer Stimmung, die zwischen Leben und Tod, Licht und Dunkelheit, Zerstörung und Erneuerung schwankt. Doch der Text ist nicht wirklich traurig, sondern wird immer wieder durch heitere Momente aufgelockert. Helle Farben dominieren die Sprache, auch in bedrückenden Bildern. Die zerstörte Insel wird in nüchternen Worten erzählt, die aber, je weiter der Text fortschreitet, nach vorne schauen, nicht zurück. Die Menschen erfreuen sich an dem, was ihnen geblieben ist, anstatt dem Zerstörten nachzutrauern. Bezeichnend, dass der Text mit einem Lachen endet.

Nadine Sieger macht in Irma klar, dass der Tod nicht das Ende ist. Zumindest nicht das der Überlebenden, wie der Ich-Erzählerin und ihrer Schwester. Es ist ein Text, der mit seinem entspannten, unangestrengten, lakonischen Duktus überzeugt und inhaltlich einen klaren Bogen schlägt. Der die Erzählerin beschreiben lässt, was sie sieht, da das Gefühl des Verlusts sich noch nicht einstellen mag. Ein starker Start in den Wettbewerb.

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