Peter Thiers: Ein viel zu kleiner Ausschnitt aus unserem Katalog

Eine Unternehmerin, die überzeugt davon ist, mit den besten Absichten zu handeln, hat sich einen schönen Plan ausgedacht. Während sie versucht, diesen zu erklären, werden ihre Briefe an die Kund*innen des Unternehmens immer eigenartiger.

Ganz eindeutig parodistische Absichten verfolgt der launige Text von Peter Thiers. Er hat die Kommunikation von Unternehmen im Blick, die sich durch ihre umständliche Bemühung um Konzilianz und Verbindlichkeit auszeichnen. Dabei verhebt sich diese Sprache immer wieder und treibt beachtliche Stilblüten.

Das neu errichtete Werk ist ein frischer Start für unser Unternehmen […].

Ilona Becker-Rennsteig hat viel vor mit dem von ihrem Vater geerbten Nussknacker-Werk. Bei ihren weitreichenden Plänen will sie »die Menschen mitnehmen«, wie es so schön heißt.

Peter Thiers zeichnet seine Protagonistin in ihren Briefen präzise, wenngleich ihr Charakter genretypisch überzeichnet daherkommt. Ihre unbeholfenen Versuche, die lokale Bevölkerung zu erreichen, werden vom Autor durch aberwitzige Einfälle zum Ausdruck gebracht.

Als Zeichen unseres guten Willens haben wir diesem Umschlag eine Miniatur unseres neuesten Verkaufsschlagers, Model Nr. 317, des Nussknackers Typ Polizist, beigelegt.

Immer absurder und eindeutig over the top erscheinen die Briefe der Unternehmenserbin. Und doch zeigt sich in der Überzeichnung eine Tendenz, die in der Gegenwart durchaus eine Entsprechung findet: Von sich selbst und dem Rest der Gesellschaft entfremdete Unternehmen, die glauben, alle Schwierigkeiten der Welt seien letztlich eine Frage der Kommunikation, kommen sicher auch in der Realität vor. »Kommunikation« ist aber etwas anderes als ein wirkliches Gespräch auf Augenhöhe, auch wenn Ilona Becker-Rennsteig eine solche Augenhöhe floskelhaft behauptet.

Allein die wechselnden Adjektive in den Grußformeln der Unternehmerin – Grüße sind bei ihr erst »dankbar«, dann »wahrhaftig«, später »bedauernd« – reichen aus, um die Geschichte einer völlig verkorksten Kommunikation zu erzählen. Eine ziemlich lustige Brief-Erzählung ohne ganz großen Tiefgang.

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