David Jokschat: … aber es werden Geister über der Asche schweben

Von ineinanderfließenden Zeiten, den kleinen und großen Wunden des Lebens und einer Sehnsucht nach der eigenen Welt – David Jokschat schenkt uns einen intensiven Text, der verarbeitet werden will.

Schon mit seinem ersten Satz katapultiert David Jokschat uns schonungslos rein in seine Erzählung, die vor allem von ihrer Atmosphäre lebt. In ihren einleitenden Worten sagt Angelika Klammer, dass »da eine Geschichte ist, die vor dem ersten Satz liegt«, etwas ist passiert, dessen Konsequenzen jetzt spürbar werden. Ein Unfall, mit einem Pferdeanhänger oder vielleicht einem Reh? Ein Tier, das jetzt mit aufgerissenen Augen auf der Straße liegt, strampelt und bebt – nicht das einzige verwundete Wesen in … aber es werden Geister über der Asche schweben.

Er sprach auch davon, wie die Heizung gegen das Eis auf der Scheibe arbeitete und wie hoch die Räummaden den Straßenrand überragten und wie die Luft glitzerte im Fernlicht und natürlich, wie es dann vorbei war, schneller, als das Auge sah oder der Verstand begriff.

Versteckt zwischen reichhaltigen, kunstvoll angefütterten Sätzen verstecken sich einige Themen – die sicherlich ein mehrmaliges Lesen erfordern, um sie erfolgreich decodieren zu können. Da ist die Zeit und das Springen zwischen dem Früher und dem »Was könnte werden, wenn wir gehen«, vielleicht Armut und Arbeit, Beisammensein und Loyalität, Familie und Trauma. Die Erzählstimme lässt ihre Figuren, die manchmal Namen haben, manchmal auch nur »er«, »sie« oder »uns« heißen, auch Bezug nehmen auf eine Ausweglosigkeit, auf den Klimawandel und die Sehnsucht nach einer kleinen eigenen Welt, in der die Zeit einfach mal stehen bleibt. Wo es genügt, einfach zu leben, ohne schlechtes Gewissen, ohne Rechtfertigung. Eine sehr gut ausgearbeitete Passage, die eine uns allen bekannte Spaltung einfängt – die zwischen Menschen, die bewusst und zukunftsorientiert leben, und denen, die eben noch Steak braten und Plastiktüten kaufen wollen dürfen.

Mahler, hoffnungsfroh in seiner Verzweiflung, er wollte sich ein Stück Erde stehlen, eine Welt für sich und seine Freunde, einen Himmel, in dem er leben konnte, wo die Zeit nicht fortschritt, wo nicht jeder Sack Plastikmüll gerechtfertigt werden musste, jeder Liter Heizöl, jedes Steak, jedes Kleidungsstück, jeder Satz abgefahrene Reifen.

Es wäre spannend, zu erfahren, was ein eifriges Lektorat aus diesem Text machen könnte – was Streichen und Schieben, Kürzen und Formen für uns Zuhörende tun könnte, die unbedingt einer sprachlich so satten Geschichte folgen wollen, doch es im Moment noch nicht ganz schaffen. Zu reichhaltig die Bilder, zu übervoll die Sätze und verwirrend das Springen zwischen den namenlosen Handelnden. Beinah hat man den Eindruck, David Jokschat habe sich in seinen Sätzen selbst verfangen, sich im Auflösen der Bilder verheddert. Der Text besticht klar durch seine Atmosphäre, die David Jokschat auch in seiner Performance gelungen transportiert. Sein Lesetempo wählt er genau richtig und gibt einen Vorgeschmack auf seinen Stil und seine sprachlichen Mittel, die langsam aufgesaugt und verarbeitet werden wollen. Kurz: Da schlummert ganz viel, das unbedingt geweckt, gepflegt und in die richtige Form gegossen werden sollte. 

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