Elises Gedanken kreisen um einen Abwesenden: “Die Nächte ohne Thomas sind bis zum Zerreißen gespannt, wie das Betttuch, das sie über die Matratze gezerrt hat.” Ihr Leben ist Warten. Sie trinkt Kaffee, schreibt Thomas SMS. „Wärmt Wintermärchen auf.“ Schlaflos liegt sie in den heißen Nächten auf ihrer durchgelegenen Matratze, ab und an erschlägt sie eine Stechmücke.
“Das Betttuch ist blau wie das Meer an seinen dunkelsten Stellen. Sie hält die Fenster geschlossen, hält die Hitze aus und den Durst und die Müdigkeit, die alles einfärbt, alles trübt.”
Einprägsam beschreibt Juliane Link die empfindsame, preziose Weltsicht ihrer liebesbekümmerten Protagonistin. Liest hell und klar, der Text schwingt transparent. Lektor Georg Hasibeder lobt die „poetische Leichtigkeit und Dichte“ von Juliane Links Text. Einzelne Wörter und Bilder, so der Programmleiter des Haymon Verlags, „leuchten hell heraus und klingen lange nach“.
“Elise betrachtet das Muster, das im Kreis um den Tellerrand läuft. Ein kompliziertes Liniengeflecht, das die Tomate umrundet, die Elise in der Tellermitte in Stücke geschnitten hat. Die Tomate hat sie vorhin auf dem Markt gekauft, wo sie Trois Thomas verlangte. Trois tomates?, hat der Gemüsehändler gefragt und gegrinst und drei dicke Strauchtomaten in eine rosa Plastiktüte gepackt. Elise hat sich geschämt, ist mit der zitternden Plastiktüte nach Hause gelaufen und hat sich in das Muster vertieft, das im Kreis um den Tellerrand läuft.”
Wie die antike Berenike opfert Elise ihr Haar – hoffend, dass Thomas zurückkommt. Und dann kommt sie über ihn hinweg: „Sie will plötzlich das Geschirr spülen und das Betttuch wechseln. Sie braucht ein neues, ein größeres Spannbetttuch in einer anderen Farbe.“
5 Gedanken zu “Juliane Link „Das Haar der Berenike“”
Muss man erstmal hinbekommen, ein Betttuch „bis zum Zerreißen“ über eine durchgelegene Matratze zerren. Gut, solche Sätze passieren. Dass die Texte drumrum es durch die Vorauswahl schaffen, überrascht, aber ich kenne nur diese Auszüge. Muss noch einiges an Leben dran hängen, außer dem Betttuch, der dunkelsten Stelle des Meers und dicken Strauchtomaten in einer rosa Plastiktüte, die dann auch noch zittert. Aber wenn man solche pseudopräzisen Sätze in einer dreißigzeiligen Besprechung zitiert, schöpfe ich doch Verdacht. Was kann die Damen und Herren hier nur vom Hocker gerissen haben? Der Bezug zur Antike? Der konzentrierte Blick auf den kompliziert gemusterten Tellerrand? Die knallhart unterschlagene Farbe von Tomate und Strauchstrunk?