Bücher und Baustellen
Als ich gefragt wurde, ob ich einen kurzen Text für den Blog schreiben möchte, war ich mir ziemlich sicher, dass ich es nicht schaffen würde. Zu knapp ist meine Zeit momentan bemessen, und die, die ich habe, brauche ich für mein Manuskript, das ich demnächst abgeben muss. Aber als ich heute Morgen vor meinem Bücherregal stand, und mir Lean on Pete von Willy Vlautin in die Hände fiel, änderte ich meine Meinung.
Ich habe ziemlich spät angefangen viel zu lesen – mit sechzehn oder siebzehn. Damals verbrachte ich täglich mehrere Stunden auf Baustellen und montierte – mit Männern, die mir unsympathisch waren – Industrietore und Feuerschutztüren. Ich war in der Schule nie besonders gut gewesen, und plötzlich war ich, ohne es zu merken, irgendwo angekommen. Ich erinnere mich an einen heißen Sommertag, an dem mich der Gedanke nicht mehr losließ, dass ich den Rest meines Lebens auf solchen Baustellen verbringen müsste. Und genau zu der Zeit erwischte mich die Literatur, und ich war ziemlich unvorbereitet.
Ich kann heute nicht mehr genau sagen, wie ich auf den Fänger im Roggen gestoßen bin, aber mit diesem Buch veränderte sich viel. Ich las es innerhalb von zwei oder drei Tagen, und als ich fertig war, las ich es noch mal. Fortan verbrachte ich einen Großteil meiner Zeit in Buchhandlungen; entdeckte Hemingway, Fauser, Ford. Und jedes Mal, wenn ich eines der Bücher zuschlug, war ich wie benommen. Ich habe Der alte Mann und das Meer bestimmt zehn mal gelesen, und ich werde es sicher noch ein paar mal lesen.
Heute, über fünfzehn Jahre später, kommen diese Momente leider nicht mehr so oft vor. Aber hin und wieder stehe ich in einer Buchhandlung, lese die ersten Sätze von einem Roman oder einer Erzählung, und dann ist da wieder dieses Gefühl, das mich auch damals gefangen nahm, und ich gehe mit dem Buch aus dem Laden, und ich kann es kaum abwarten, endlich zuhause anzukommen.
Lean on Pete ist so ein Buch – traurig und schön. Eine Geschichte, die mich mit einer Wucht erwischte, der ich kaum standhalten konnte. Der kleine Charley, die fremde Stadt und die Freundschaft zu einem Rennpferd. Auch heute verbringe ich noch hin und wieder Zeit auf irgendwelchen Baustellen, aber es ist seltener geworden, und es hat sich etwas grundlegend verändert – bei mir zuhause gibt es dieses Regal mit all diesen Büchern.