EIN LEKTOR UND DREI FRAGEN; SUSANNE KRONES

Susanne Krones, geboren 1979 in Amberg, studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Politikwissenschaft in Berlin und Buchwissenschaft in München. Sie promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München über die Literaturzeitschrift Akzente und arbeitet seit 2005 als Lektorin zunächst im Deutschen Taschenbuch Verlag dtv und seit 2012 im Luchterhand Literaturverlag sowie für btb. Susanne Krones ist Autorin bei dtv und Wallstein, Mitglied der Jury um die Literaturstipendien des Freistaats Bayern und Gutachterin im Auswahlverfahren der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie lehrt Angewandte Literaturwissenschaft und Buchwissenschaft an der Universität Regensburg und der Ludwig-Maximilians-Universität München.

© Heike Bogenberger
© Heike Bogenberger

Drei Fragen an Susanne Krones

Mit welchen Erwartungen sind Sie an die open mike-Texte herangegangen?

Mit großer Neugier. Neugierig war ich einerseits auf jeden einzelnen zum Wettbewerb eingereichten Text, andererseits auch auf das Auswahlverfahren, das sich durch die Anonymität (also den Verzicht auf die Vita der Autorinnen und Autoren) und die knappen Textproben, die ganz für sich stehen (ohne ein einleitendes oder einordnendes Exposé), deutlich von Verlagsalltag unterscheidet. Diese Konzentration auf den bloßen Text, die Stimme, den Ton, bei immer gleicher Länge – das fand ich spannend. Vor allem aber war ich neugierig, was die junge Autorengeneration zu sagen hat und welche Themen sie interessieren, der open mike hat ja keine Leitfrage, sondern lässt seine Bewerberinnen und Bewerber frei entscheiden, was sie erzählen.

Welche Kriterien haben Sie an die Texte angelegt – waren es dieselben, die Sie bei Ihrer Auswahl im Verlag anlegen?

Im Wesentlichen sind es die gleichen Kriterien wie im Verlag: ein eigener Ton, der trägt, eine Geschichte, die ich so noch nicht gehört habe, eine Sprache, die ihr gewachsen ist und die selbst etwas Besonderes ist. Aber natürlich ist es ein Unterschied, ob ein Text ein Langstreckenläufer ist (die meisten Texte, die ich für Luchterhand prüfe, sind Romane), oder ob er genau acht Seiten, fünfzehn Minuten, Zeit hat sich zu beweisen. Und selbstverständlich gab es ein weiteres Kriterium, das im Verlag keine Rolle spielt: Wie wirkt der Text als vorgelesener, gesprochener Text?

Gibt es etwas, dass Ihnen bei der Vorauswahl an den Texten aufgefallen ist?

Die Härte der Themen hat mich überrascht. Familiengeschichten überwogen, viele von ihnen erzählen von tragischen Konstellationen, von Verlust, Gewalt, Missbrauch bis zum Mädchen, das seine Eltern umbringt. Auch in den anderen Texten spielten psychische Grenzsituationen, Angst, Schmerz, Verhör- oder Foltersituationen eine große Rolle. Einige klassische Coming-of-Age-Geschichten über Kindheitsfreundschaften, die erste Liebe, die Suche nach der eigenen sexuellen Identität, den ersten Sommer nach der Schulzeit gab es, aber viel weniger, als ich das erwartet hätte.

Der Masse an sozialkritischen Texten standen nur wenige gegenüber, die sich auf kluge Weise mit politischen Themen auseinandersetzen; wirtschaftliche oder technische Themen fehlten in meiner Auswahl ganz.

Stilistisch haben mich die stärksten Texte durchaus beeindruckt, in ihrer Komposition, ihrem Rhythmus, der schon deutlich spürbaren Routine, mit der sie erzählt sind. Enttäuschend fand ich, dass nur wenige Texte sich im Spiel mit der Form etwas trauten, dass es wenig Grenzgänger zum essayistischen Schreiben gab und vor allem: so wenig Humor.

 

Die Kandidaten von Susanne Krones

Simone Kanter

Alexandra Riedel

Astrid Sozio