von Simone Kanter
Die Selbstwahrnehmung als Autorin beschäftigt mich seit dem Open Mike Wochenende sicherlich nicht zum ersten Mal. Doch seit diesem Wochenende beschäftigt sie mich wieder. Was macht für mich den Unterschied zwischen Schreibender und Autorin, weshalb tue ich mich, in Betracht auf meine eigene Person und mein eigenes Schreiben, schwer mit der Bezeichnung?
Vielleicht mag die Last der Autorinnenbezeichnung mit allgemeinen und besonderen Anforderungen, Erwartungen und Meinungen zugenommen haben. So zum Beispiel durch die Aussage, die während der Podiumsdiskussion am Freitagabend vor den Open Mike Lesungen, gegeben wurde, dass Autoren auch gute Performer sein „sollten“, dass die Verlagshäuser dazu ein Training anbieten. Oder die Aussage, dass Verleger allererst fragen, ob die Autorin v o r z e i g b a r wäre, bevor überhaupt über das Manuskript gesprochen wird, von dem ein Lektor überzeugt scheint. Dass darüber nicht mehr Autoren und Autorinnen aufgesprungen waren oder zumindest ins Gespräch fanden, wundert mich.
Als Schreibende fühle ich mich in einem gewissen Schutzraum. Die Bezeichnung mag einen Hobby-Beigeschmack haben, doch dieser ist für mich nicht unbedingt negativ besetzt. Vor allem nicht, wenn ich sehe mit welchen Mühlen und unter welchen Bedingungen der Literaturbetrieb die Produktion antreibt. Ich als Schreibende setze mich mit Sprache auseinander, manchmal setzen die Sprache und ich uns einfach zueinander und schauen, was passiert. Ich als Schreibende habe meine Ideen, meine Vorstellungen, meinen Zeitrahmen. Ich als Schreibende weiß nicht genau, was mich von dem, was das Wort „Autorin“ bezeichnet, abhält, welche Kriterien von mir unerfüllt bleiben.
Ich schreibe, ich schenke meinem Schreiben einen großen Teil der Zeit, die mir neben meinem Beruf zur Verfügung steht. Meinem Schreiben ist diese Zeit wichtig, meinem schreibenden Ich ist diese Zeit notwendig. Es ist hier auch eine Frage meiner eigenen Identität. Wer bin ich, wenn ich schreiblos bin?
Als Autorin verdiene ich mein Geld mit meinem Geschriebenen? Als Autorin bin ich vorzeigbar und neben meinem Schreiben-Können und auch –Wollen bin ich eine Performancekünstlerin?
Ich bin also eine Schreibende, die als Buchhändlerin arbeitet. Ich drehe mich mit und auf dem Literaturkarussell, sowohl als Schreibende wie auch als Buchhändlerin. Ich schreibe über Dies und Das, ich schreibe wenig politisch, ich schreibe aus meinem eigenen Erfahrungsschatz und dem, was mir begegnet, ich schreibe, wie mir die Sprache entgegenkommt. Ich drehe und kreisel und springe mancherzeits einfach ab. Ab vom Schreiben, ab vom Karussell.
Das Open Mike Wochenende kostete mich Kraft. Ich aß nicht, ich schlief schlecht, ich hatte Angst, ich war freudig euphorisch. Ich fühlte mich angesprochen, ich fühlte mich missverstanden, ich glaubte mich am falschen Ort. Nachwuchsautoren/innen. Auf wessen Feldern möchte geerntet werden, und was verspricht man sich von der Ernte? „Sucht euch einen Job!“ Einen Job habe ich, ich bin nicht Anfang zwanzig, ich habe meinen Lebensmittelpunkt gefunden. Und ja, ich schreibe! Ich bin kein Klein- und auch kein Groß- und kein Jungwild, was gefangen und gezäunt oder gezäumt werden möchte.
Ich frage gern um Rat. Ich nehme Hilfe an und lerne dazu. Ich weiß nicht, wohin der Kreisel drehen kann, dreht er sich einmal nicht um sich selbst. Ich danke sehr für Geduld und Aufmerksamkeit mir selbst und vor allem meinen Texten gegenüber. Ich setze mich der Kritik und den Ängsten aus. Ich probiere Wege und folge Richtungen. Ich nehme kommendes Wochenende am Workshop des Open Mike teil und freue mich. Ich freue mich auf intensive Gespräche, ich freue mich auf etwas, was für mich nicht selbstverständlich ist, nämlich die direkte Konfrontation mit der eigenen Textidee. Für einige Teilnehmer mag das vielleicht nichts Aufregendes sein. Sie kennen das vom Studium. Ich kenne das nicht. Und deswegen beginnt bei mir wieder etwas die Furcht, die sich immer ein wenig Platz einräumt neben der Freude und Neugierde, neben der Erwartung und Hoffnung.
Ich möchte schreiben. Ich schreibe. Ich bin vielleicht keine Autorin und doch wird es von mir etwas zu lesen geben. Daran setze ich viel Arbeit, höchste Konzentration und den Schwindel des Karussells. Mit denen, die leicht anschieben aber auch jenen, die mal hier und dort anhalten, die einen Stock in die Speichen stecken, die das Getriebe lahmlegen, die mich hinterfragen und mir die Aufgabe stellen, mich selbst zu hinterfragen, mit jenen arbeite ich gern zusammen, denn mit jenen Menschen scheint mir die Leidenschaft zur Literatur gemeinsam.
Es stellt sich mir zum Schluss die Frage, ob ich in eine gedankliche Sackgasse geraten bin mit der Frage nach dem Autorinnensein. Ist diese Frage eine Frage nach einer Berufsbezeichnung oder bewegen wir uns hier auf dem schmalen Grat einer Identitätsfrage?
Abschließend meine Entscheidung, mich weniger um die Frage nach Autorin-Sein oder Nicht-Sein zu drehen, sondern meine Konzentration dem Eigentlichen, nämlich dem Schreiben zuzuwenden.