„Bist’n good boy, Matze“ – der Titel von Felix Kracke’s Text wiederholt sich mantraartig im Verlauf der Lesung. Das kollektive „Wir“, welches aus Tim, Pete und Jess besteht, spricht den betitelten Matze direkt an. Sie sind eine skatende und sprayende Crew, Gang oder Clique, sie sind jung: Das merkt man nicht zuletzt an der Jugendsprache des Textes, die von Anglizismen und Zeitgeist durchzogen ist. Das literarische Wir, das spricht, bewegt sich durch eine nicht weiter definierte Großstadt, die Dächer über der Stadt gehören zum Lieblingsort der Gang. Doch Matze ist nicht mehr dabei.
Aus dem präsentischen „du bist“ wird ein vergangenes „du warst“. Was genau mit Matze passierte, wird nicht endgültig geklärt.Ein möglicher Sinn des Verlusts, der Trost für das Wir sein könnte, wird in der Mythologie gesucht.
Wir suchen nach Metaphern auf den Dächern über der Stadt und enden im Maritimen. Das Meer als verlässlichstes Terrain.
Die Lektorin Sandra Heinrici, die Krackes Text auswählte, konstatiert: „Hier wird die moderne Skater-Geschichte mit alten Topoi und Mythen erzählt.“ Konsequent zieht sich die Meeres-Metaphorik durch den Text. Aber keines der aufgerufenen, antiken Motive wird konsequent auserzählt, mehr wirken die Einwürfe von Troja und Medusa wie ’namedropping‘.
Wir stehen Spalier und vor den Morgen auf. Steigen auf die Dächer, als wär‘ keine Zeit, kein Tag vergangen. Sprechen die Lügen, bis sie wieder stimmen, Rettung durch Fiktion.
Felix Kracke liest sicher und klar, man merkt ihm keinerlei Aufregung an. Die vermeintliche Differenz zwischen Straßenslang und antikem Epos verschwimmt dank seiner Vortragsart, der Text wirkt konsistent. Bist schon ’n good boy, Felix Kracke.