Die Lektoren des 24. open mike 2016. Heute Anvar Cukoski, Rainer Götz & Albert Henrichs

Anvar Cukoski, Rainer Götz & Albert Henrichs


Lektor*innen, die: drei Frauen & drei Männer, deren Job es ist Bücher zu »machen«. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Verlagen oder sind selbst Verleger*in, sie kommen aus Graz, München, Frankfurt oder Berlin, und arbeiten seit Jahren mit Autor*innen an deren Manuskripten, begleiten sie auf dem Weg zum fertigen Buch, sind Ratgeber und manchmal auch Freund, immer aber »erster Leser«, und das vor allem kritisch im besten Sinne des Wortes. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels stellt dazu fest: »Die Aufgaben des Lektors sind vielfältig: er ist kritischer erster Leser und Begleiter bei der Entstehung eines Werks. Der Lektor ist Korrektiv im Schöpfungsprozess, er vertritt die Sache des Autors gegenüber der Öffentlichkeit und zugleich die Interessen des Lesers.«

Der open mike lädt jedes Jahr eine Reihe von Lektor*innen aus renommierten Verlagen dazu ein, die Vorjury zu sein: nach Einsendeschluss im Sommer, werden die bis zu 700 anonymisierten Manuskripte an die Lektoren weitergereicht. Sie lesen und wählen ihre Kandidaten aus.

Die ersten drei dieser Lektoren stellen wir Euch hier kurz vor.

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Anvar Cukoski

Mit welchen Erwartungen sind Sie an die open mike-Texte herangegangen?
Mit der Hoffnung, einige wenige bemerkenswerte neue Stimme zu hören. Mit der Angst, dass das ungefähr so selten der Fall sein wird wie im Berufsalltag. Mit Vorfreude und Neugier auf einen ganzen Stapel voller unbekannter Texte, mit Angst vor der Höhe des Stapels. Mit Stolz beim open Mike dabei zu sein, bei dem ich schon seit über zehn Jahren regelmäßig im Publikum sitze.

Welche Kriterien haben Sie an die Texte angelegt – waren es dieselben, die Sie bei Ihrer Auswahl im Verlag anlegen?
Nein, es waren keineswegs dieselben Kriterien wie im Verlag. Im Verlag suche ich aus einem mehr oder weniger unendlichen Pool von Manuskripten nach dem einen Text, den ich unbedingt veröffentlichen will. Dafür muss der Text schon ziemlich „fertig“ sein; eine gewisse Marktgängigkeit muss vorhanden sein; es muss meist ein Roman sein; er muss zum Programm meines Verlags passen. Ich muss zu einhundert Prozent an den Text und seine Qualität glauben.

Bei der open-Mike-Auswahl war ich einerseits eingeschränkter, denn ich hatte im Grunde keine Wahl: Ich musste aus einer begrenzten Anzahl von Texten 3 auswählen. Auf der anderen Seite war ich viel freier: unabhängig von Nebengeräuschen konnte ich mich allein auf die Qualität der Texte konzentrieren.

Dabei war es mir wichtig, selbstbewusste Erzählstimmen zu finden, Autoren, die so etwas wie eine eigenständige Sprache und Poetik haben, die keine Angst haben, etwas falsch zu machen.

Was war bei der Lektüre der Manuskripte die größte Überraschung für Sie?
Die Texte, die ich ausgewählt habe. Sie haben mich auf eine Art und Weise überzeugt, mit der ich nicht gerechnet habe. Mit einer ganz eigenen Sprache; mit selbstbewusster Konzentration; mit Selbstironie und Leidenschaft.

Anvar Cukoski
Anvar Cukoski

Anvar Čukoski, 1982 in Köln geboren, hat Neuere deutsche Literatur und Philosophie in Berlin studiert. Nach fünf Jahren im Berlin Verlag ist er seit 2015 Lektor für deutschsprachige und internationale Belletristik im Piper Verlag. Er war Seminarleiter an der Bayerischen Akademie des Schreibens und ist regelmäßig Lehrbeauftragter am Hildesheimer Institut für Literarisches Schreiben.

Ausgewählte Kandidat*innen
Thilo Dierkes
Sabine Gisin
Deniz Ohde
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Rainer Götz

Mit welchen Erwartungen sind Sie an die open mike-Texte herangegangen?
Mit denselben Erwartungen, mit denen ich an jedes unbekannte Manuskript, an jedes unbekannte Buch herangehe: mich überraschen zu lassen. Man könnte also auch sagen: keine.

Welche Kriterien haben Sie an die Texte angelegt – waren es dieselben, die Sie bei Ihrer Auswahl im Verlag anlegen?
Ehrlich gesagt: nicht ganz dieselben. Ein Text von 15 Minuten Lesezeit braucht weniger Organisation als ein ganzes Buch. Was nicht heißt, dass ein open mike-Beitrag nicht Teil oder Auszug eines großartigen Buches sein oder werden kann. Ich kann aber sowieso nicht nur meine Kriterien anlegen – ich möchte auch spüren, dass der Text seine eigenen Kriterien mitbringt, dass er sich eine Aufgabe gestellt hat, der er formal und inhaltlich nachzukommen bemüht ist; ich möchte spüren, dass der Text es ernst meint und nicht nur mich und/oder den Autor unterhalten will.

Was war bei der Lektüre der Manuskripte die größte Überraschung für Sie?
Der ohnehin allseits konstatierte Fortschritt bei der Aufhebung grammatikalischer und orthographischer Übereinkünfte einerseits; die geringe Zahl an Glamour- und Gute-Laune-Texten andererseits.

Rainer Götz
Rainer Götz

Rainer Götz, geboren 1952 am Bodensee, studierte Germanistik, Linguistik und Soziologie, seit 1980 Lektor des Literaturverlags Droschl (Graz).

Augewählte Kandidat*innen:
Philipp Böhm
Kristin Höller
André Patten

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Albert Henrichs

Mit welchen Erwartungen sind Sie an die open mike-Texte herangegangen?
Ich war neugierig und habe auf möglichst unterschiedliche und außergewöhnliche Texte gehofft. Außerdem war ich gespannt, ob die Texte sich durch ihre Themen und ihren Stil von denen unterscheiden, die man von jungen Autoren und Autorinnen in Anthologien und Literaturmagazinen liest.

Welche Kriterien haben Sie an die Texte angelegt – waren es dieselben, die Sie bei Ihrer Auswahl im Verlag anlegen?
Grundsätzlich lege ich bei literarischen Texten immer dieselben Kriterien an. Mich reizen Texte, die einen eigenen Erzählton haben, gegenwärtige Themen behandeln und denen man einen bewussten und reflektierten Umgang mit Sprache anmerkt. Immer wieder gibt es aber auch solche, die ganz anders sind, die sich zunächst nicht einordnen lassen und die mich gerade deshalb begeistern, weil sie mich dazu bringen, meine Kriterien zu hinterfragen.

Was war bei der Lektüre der Manuskripte die größte Überraschung für Sie?
Beim Lesen sind mir eher einige interessante Tendenzen aufgefallen. Zum Beispiel waren die meisten Texte in ihrem Ton sehr ernst, eine ironische Erzählhaltung scheint nicht mehr viele Autoren und Autorinnen zu interessieren. Ein wenig erstaunt hat mich die Tendenz, gesellschaftspolitische Themen in Form von Parabeln zu behandeln. Und es gab in meinem Stapel leider nur wenige wirklich unkonventionelle Texte. Positiv überrascht war ich schließlich von den drei Texten, die ich ausgewählt habe.

Albert Henrichs
Albert Henrichs

Albert Henrichs, geboren 1984 in Köln. Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte in Köln und Prag. Seit 2013 im Lektorat für deutschsprachige Literatur des S. Fischer Verlags.

Ausgewählte Kandidat*innen:
Berit Glanz
Rudi Nuss
Lea Wintterlin

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