Am Drin ist die Geschichte eines Fremden im eigenen Herkunftsland. Besjans Eltern stammen aus Albanien, er selbst wuchs in der Schweiz auf. Ob es im weitesten Sinne auch eine Fluchtgeschichte ist, darüber lässt sich streiten, dennoch ist es der erste Text an diesem Tag, der sich mit der Frage nach Identität beschäftigt. Besjan, Protagonist dieses Textes, ist ein junger Archäologe, der ein Praktikum bei seinem albanischen Onkel an einer Ausgrabungsstelle absolviert. Für die Arbeiter ist er der Schweizer, zu Hause, bei seinen Studienkollegen, nie mehr als der Albaner. Bei seinem Praktikum scheint er aufgrund seiner Herkunft nicht wirklich akzeptiert, er fühlt sich unwohl und wird von den Arbeitern ausgegrenzt und nicht respektiert.
Besjans Gedanken kreisen immer wieder um Shëngjin, den Ort, an dem er sich gerade befindet, und Zürich, die Stadt, in der er aufgewachsen ist. Er erinnert sich an die Schildkröten, die er als Kind nicht behalten durfte, weil sein Vater sagte, dass sie in Zürich nicht heimisch seien – genauso wenig, wie die Familie selbst, meinte dazu die Schwester. Lektorin Esther Kormann wählte Demian Liendhards Text vor allem aus, weil er „auf sehr feinsinnige Weise das Thema Entwurzelung ausnimmt.“
Als er schließlich bei sinkendem Abend aus dem Tor trat, sah er, wie unten in der Ebene die Flut das Salzwasser in weißen Wellen flussaufwärts schob und das breite Bett des Drin anschwellen ließ, der hier kein Fluss mehr war und doch kein Meer.
Die Identitäskrise Besjans wird leise erzählt, fast monoton. Der Text enthält zwar viele Schachtelsätze, die ihn an manchen Stellen langatmig werden lassen, doch Lienhards Vortragsweise und der literarische Duktus hauchen Besjans Geschichte Leben ein und runden den ersten Tag des open mike somit gelungen ab.
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