»Erntedankfest« oder: Die Debütlesungen zum Auftakt des 26. open mike

Endlich geht es richtig los. Wie immer startet das offizielle Programm des open mike mit den Debütlesungen am Freitag. Mit dabei sind dieses Jahr Bettina Wilpert, Sebastian Unger und Mareike Schneider, jeweils begleitet von ihren Lektor*innen.

Als etabliertester Wettbewerb für junge Literatur ist der open mike die Talentschmiede Nummer 1 in der deutschsprachigen Literaturlandschaft. Wer es hier auf die Bühne schafft, hat äußerst gute Aussichten, früher oder später auch sein oder ihr Debüt in der Hand zu halten. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Erfolgsquote gefeiert werden muss. Dieses Jahr dürfen Bettina Wilpert, Sebastian Unger und Mareike Schneider sich zu ihren Debüts auch noch den Applaus des open mike-Publikums abholen und von der Zeit zwischen ihrer Teilnahme und der Veröffentlichung berichten.

Nach der Eröffnung des Wettbewerbs durch den Leiter des Haus für Poesie, Thomas Wohlfahrt, übernimmt der Journalist und Literaturkritiker Tobias Lehmkuhl die Moderation des Abends. Um das Niveau gleich mal oben anzusetzen, startet er mit einer Anekdote zu Thomas Bernhard und dessen Buch Meine Preise. Denn darin gehe es nicht nur um Preisreden und Laudationes, sondern auch darum, wie wenig der Autor die meisten Menschen bei diesen Preisverleihungen gemocht haben dürfte. Auf dieses Thema wird die Unterhaltung aber erst später wieder kommen.

Bettina Wilpert
Bettina Wilpert | Foto © Mirko Lux

Zunächst ist Bettina Wilpert an der Reihe, zusammen mit ihrem Lektor und Verbrecher-Verleger Jörg Sundermeier den Werdegang von nichts, was uns passiert nachzuzeichnen. Eigentlich beginnt alles damit, so Sundermeier, das Wilpert nicht gewinnt, da weder er noch seine Mitverbrecherin Kristine Listau bei jenem open mike im Jahre 2015 anwesend waren und damit auch ihre Visitenkarte nicht auf die sagenumwobenen Stapel legen konnten. Eine metamorphosen-Lesung kam dann aber genau zur rechten Zeit, und eine Verkettung äußerst glücklicher Umstände brachte sie zusammen. Im Februar 2018 erscheint ihr Buch und wird zu einem großen Erfolg. Man merkt beiden an, wie gut sie sich verstehen. Und ihrer anschließenden kurzen Lesung aus nichts, was uns passiert, wie viele Lesungen sie seit dem Februar bereits absolviert hat.

Sebastian Unger
Sebastian Unger | Foto © Mirko Lux

Dann geht es zu Sebastian Unger und seinem bei Matthes & Seitz erschienenem Debüt Die Tiere wissen noch nicht Bescheid. Der Autor gewann 2011 den Lyrikpreis, konnte jedoch allzu schnell keinen Band veröffentlichen, da er zu dem Zeitpunkt bis auf die gelesenen Gedichte tatsächlich nichts weiter hatte. Eine Odyssee beginnt, deren Endpunkt das zeitweilige Verschwinden von Luxbooks hätte sein können. Glücklicherweise blieb Unger dies erspart und er kam mit einem so fertigen Manuskript zu Matthes & Seitz, dass Verleger Andreas Rötzer es sofort lesen wollte. Auch für seinen Lektor und Herausgeber der Dichtung bei Matthes & Seitz blieb nicht mehr zu tun, als die Kommasetzung zu vereinheitlichen, wie er schmunzelnd zugibt. Dann liest Unger einige Gedichte, deren hohe Präzision er durch seinen Vortrag noch hervorhebt.

Mareike Schneider
Mareike Schneider (2. v. r.) | Foto © Mirko Lux

Auf das Ausmaß des Lektorats angesprochen kommen Mareike Schneider und ihrer Rowohlt-Lektorin Diana Stübs nicht so richtig überein. Die Autorin berichtet darüber, wie schwer es ihr fiel, das Lektorat durchzustehen. Immerhin hatte sie bereits seit gut zehn Jahren an ihrem Roman Alte Engel gearbeitet, ihn immer wieder umgeschrieben und verbessert. Jörg Sundermeier springt ihr zur Seite und berichtet, dass er von Autor*innen eine gewisse Gegenwehr beim Lektorat schon erwarte, sonst dränge sich irgendwann der Verdacht auf, ob sie überhaupt die wirklichen Autor*innen seien. Nachdem sich die Diskussion hier dann ein wenig verläuft und es kurz durchs Publikum raunt, ob Tobias Lehmkuhl vielleicht vergessen wird, Mareike Schneider lesen zu lassen, darf sie dann doch. Breites Vogtländisch klingt durch den Raum, als sie die zahlreichen Dialektpassagen der Großmutter eindrücklich vorträgt.

Nach einem kurzen Abschlusswort, wiederum von Thomas Wohlfahrt, endet dann der offizielle Teil, und Veranstalter*innen wie Zuschauer*innen dürften zufrieden sein. Drei Debüts wurden in süffisantem Rahmen besprochen, drei Erfolgsgeschichten des open mike. Nun können wir gespannt sein, welche Geschichten in diesem Jahr ihren Anfang nehmen werden.

Wer die Veranstaltung verpasst hat, sich aber noch einen eigenen Eindruck verschaffen möchte, kann hier den kompletten Livestream sehen.

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