Hannah Bründl: wald-efeugeil: stille (Auszug)

Hannah Bründl will provozieren, keine Frage. Mit dem Thema, mit der Wortwahl, alles schreit nach Aufmerksamkeit. Lektor Christian Filips meint: »Ihre Gedichte widersetzen sich dem Zugriff und sind ein Plädoyer für das Aufhalten in der Muttersprache, eine Verneinung der Vatersprache.«

Hannah Bründl will mit ihrem Text um jeden Preis auffallen. Und das gelingt ihr, an waldefeu-geil: stille wird man sich später erinnern. Der Text berichtet von einer Frau, die ein Kind zur Welt bringt. Ob es sich dabei um eine Frühgeburt oder eine Fehlgeburt handelt, wird anfangs nicht deutlich.


es entsprach nicht
mädchen sollen hübsch sein
mädchen sollen hübsch sein
das kind würde dafür bestraft werden, ein hässliches mädchen zu sein es war verunstaltet, es hat es gewusst
es war klug, es hat über seine eigene missgestalt sofort bescheid gewusst es hat gelacht über seine eigene grauenhafte missgestalt
über meine missgestalt als mutter
die gliedmaßen so dürr
die rippen so spitz
so lag es am boden in der kloake und hat prächtig gelacht
es lag am boden in der blutigen nachgeburt und hat gelacht

HannAH BRÜNDL

Sie beschreibt Körperflüssigkeiten – Blut, Käseschmiere, Fruchtwasser und Schleim –, sie sieht das Baby als Parasiten: »es hat sich platz geschaffen und ich war bloßes material für das baby geworden.« Muttermilch vergleicht sie mit Kuh- oder Ziegenmilch, nennt die Haltbarkeit und definiert die Frau als Gebärmaschine. Natürlich muss sie auch nochmal erklären, wie das mit einem Menstruationszyklus funktioniert und dass man ja erst eine Schwangerschaft bemerkt, wenn die Regelblutung ausbleibt, hallo Klischee.

Der Ausschnitt gliedert sich in vier Teile, nummeriert als Listen, im ersten Teil geht es um die Geburt, später dann darum, wie die Protagonistin das Baby in ihrem Körper töten wollte, wie sie extra in giftigem Teeröl gebadet hat, um es loszuwerden, doch das hat nicht geklappt.

teeröl ist krebserregend
teeröl war in den 90ern verboten worden, weil es krebserregend ist
es hätte das holz schützen sollen
es war giftig
ich habe mich darin gebadet
es war giftig
die schultern und den hals gebadet
die oberschenkel

Hannah bründl

In Teil vier meldet sich das Baby zu Wort und spätestens hier ist die Verwirrung komplett. Dachte man vorher noch, das Baby sei tot, verwendet es nun Worte wie »Unbefärbtheit«.

Der Text wirkt aufgesetzt, um jeden Preis will er Ekel auslösen und abstoßend wirken, und wenn der körpereigene Schleim dafür Farben haben muss. Einzelne Sequenzen wirken gestelzt: »die austreibungsphase ist vonstatten gegangen«. Doch im Gegensatz zu anderen Texten des Wettbewerbs bleibt dieser hier nicht blass, sondern zwingt, sich mit Schönheitsidealen und Frauenkörpern auseinanderzusetzen.

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