Laetizia Praiss: Widerhall

Es ist unglaublich, aber mit Laetizia Praiss liest bereits die letzte Autor*in des 27. open mike. Es ging wahnsinnig schnell vorbei, doch zu früh werden wir nicht in die spannungsgeladene Pause vor dem Sturm der Preisverleihung entlassen.

Denn mit ihrem Text Widerhall dimmt Laetizia Praiss die Lichter im Saal literarisch herunter. Der Text führt tief in die Psyche von Berenike, die vermutlich in einer Anstalt lebt – geschlossen, Einzelzelle. Dort, in ihrer unfreiwilligen Einsamkeit lässt sie ihre Gedanken schweifen, geht zurück in die Vergangenheit, in die Kindheit, kommt wieder in die Gegenwart zurück, um von dort aus weiter zu schweben.

Von diesen Stationen ist wenig Erbauliches zu berichten. Der Bewusstseinsstrom der Erzählerin verdunkelt sich von Satz zu Satz. Von der Kälte im Elternhaus geht es zur Gleichförmigkeit der simplen Mahlzeiten, die sie durch eine Klappe in der Tür erhält. Diese Gleichförmigkeit schreibt sich so tief in die Tage, dass schon eine minimale Variation auf dem Teller eine kleine Sensation ist.

Mich anzublicken ist in die Einsamkeit zu blicken, Gemeinsamkeiten außen vor, was außen ist, muss in mich hinein kommen. Die Einsamkeit war da, bevor ich da war, ich habe sie nicht gemacht, sie wurde von keinem gemacht. Also darf ich nicht sagen, ich bin einsam, sondern, ich gehöre dem einsam sein an.

Der titelgebende Widerhall kommt nur noch von den Zellenwänden, ist ein bloßes Echo ihrer selbst. Und doch ist dies der einzige Dialog, der ihr geblieben ist. Die Frage drängt sich auf: Wer bin ich, wenn es niemanden gibt, von dem ich mich abgrenzen kann? Niemanden, der mich wahrnimmt? Gibt es ein Ich ohne ein Du?

Widerhall ist so ausnehmend düster und schwer, dass es kein einfaches Unterfangen ist, den Text in einem Zug zu lesen. Laetizia Praiss liest ihn mit Tempo, das macht es einfacher. Aber der Text kreist fast ausschließlich in sich selbst, in Berenikes sterbenseinsamer Psyche. Es gibt kein Licht an diesem Ort, keine Hoffnung. Das ist tragisch, aber auch mindestens genauso eintönig wie das Leben Berenikes.

Wie so oft bei solchen Texten stellt sich mir die Sinnfrage: Ist es wirklich sinnvoll, die Leser*innen durch einen quälenden Text die Leiden der Protagonistin fühlen zu lassen? Meiner Meinung nach nicht, mir ist Widerhall zu dunkel, zu apokalyptisch, zu schwer, ohne daraus mehr zu machen, als ein eindimensionales Bild einer kranken, einsamen Psyche zu zeichnen.

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