Drei Preise wurden dieses Jahr von der Jury verliehen, mit gleicher Gewichtung, aber unterschiedlichen Namen: ein Hauptpreis und zwei weitere Preise. Die »weiteren Preise« gehen an Fiona Sironic und Sina Ahlers, der Hauptpreis an Carla Hegerl.
Clemens Meyer über Das ist der Sommer, in dem das Haus einstürzt von Fiona Sironic
Ich habe die Freude, einen der so genannten »weiteren Preise« zu verkünden, aber ein Preis ist ja ein Preis. Und habe ein paar Zeilen dazu vorbereitet. Lichter, Sehnsucht, Luftdruckprojektile, Aussprache. Figuren skurril, verloren aber in einer eigenen Welt, die sich dreht und aus den Fugen gerät. Aber die Sprache: sie fließt, hat Rhythmus, ist poetisch, ist sperrig – stürzt aber nie ein. Das ist der Sommer, in dem das Haus einstürzt. Dieses Haus wird noch weiter gebaut, denn es ist ein Auszug. Für diesen Weiterbau wünschen wir viel Mut zeichnen den Text Das ist der Sommer, in dem das Haus einstürzt aus, herzlichen Glückwunsch, Fiona Sironic!
Uljana Wolf über Originale von Sina Ahlers
Ich mache weiter mit dem zweiteren, weiteren Preis.
Noch einmal: über Genregrenzen schreiben ist wie über die Ränder der Wirklichkeit und des Sagbaren zu malen. Malen mit dem wilden Willen und der Erkenntnis, die auch manchmal doppelt oder dreifach sehen kann. Wie gesagt, viele Texte haben sich Herkünften zugewandt und im vermeintlich Gesicherten, in den Quellen, auch Nebenwege oder illegitime Pluralitäten gefunden.
Der Text, den wir auszeichnen, zweifelt überhaupt an Herkünften, an singulären Herkünften oder an Originalen. Ist nicht alles eine unaufhörliche Aufgabe, also übersetzen, also Grenzen überschreiten? »Eine exklusive Beziehung ist zum Davonschleichen«, heißt es. Ja, exklusive Beziehungen wie Originale und Übersetzungen, wie Lyrik oder Prosa, wie eins oder zwei, wie Körper oder Streichholzschachteln, und so begrüßen wir den Furor dieser dezentrierenden Erkenntniswut, die viral geht, mit Sina Ahlers.
Thomas Meinecke über Bambi: Gedichte von Carla Hegerl
An mir ist es jetzt, von uns sehr unterschiedlichen Juror*innen-Typen nun den Preis zu nennen, den wir als Hautpreis gefasst haben. Weil er uns alle im wahrsten Sinne des Wortes geflasht hat. Als ein Text – oder mehrere Texte – die interessanterweise als Gedichte eingereicht wurden, aber eben doch auf eine bestimmte Weise ein ganz neues Genre hervorgebracht haben oder tun, mit anderen da draußen in der Welt, auch in der digitalen, mehr als bei den meisten anderen Texten.
Deshalb fanden wir das interessant, ob man dem Text überhaupt den Preis für Lyrik zusprechen wollte, denn eigentlich ist diese Welt – wie schon erwähnt wurde – schon so, dass diese Genregrenzen weniger durchbrochen wurden als weggefallen sind durch ganz neue Arten der Kommunikation, die natürlich digital sind. Aber das Digitale besteht eben nicht nur aus Nullen und Einsen, sondern auch aus Glitches, auch das Non-Binäre und Queere haben dort einen Ort. Und deswegen haben wir die unter dem Titel Bambi versammelten Gedichte von Carla Hegerl ausgezeichnet.
taz-Publikumsjury
Überzeugt hat uns der Sieger*innen-Text vor allem mit einer außergewöhnlichen Idee und einer starken, prägnanten und dichten Sprache. Wiederkehrende Motive in unterschiedlichen Bildern bieten dem Leser oder der Leserin eine Fülle von Interpretationsräumen. Wir freuen uns, den taz-Publikumspreis an Sina Ahlers für ihren Beitrag Originale zu vergeben. Herzlichen Glückwunsch!