Die Kandidat*innen des 28. open mike | Virginia Brunn & Nail Doğan

Virginia Brunn

Virginia Brunn (Foto: © Kerstin Kühne)

Virginia Brunn, 1987 in Karl-Marx-Stadt geboren. Aufgewachsen als Kneipenkind in einem 300-Seelen-Dorf im Schwarzwald, Baden-Württemberg, umgeben von Gastronomen. 2016 Veröffentlichung eines Romanauszugs bei SWR 2 Tandem, in der Reihe Klappstuhl. 2017 unwahrscheinlicher Abschluss des Studiums des Literarischen Schreibens in Hildesheim. Es folgt der eigene zweijährige gastronomische Versuch im Schwarzwald. 2018 Erhalt des Grenzgängerstipendiums der Robert Bosch Stiftung für Reisen nach Kasachstan. 2019 beginnt ein ganz persönlicher Lockdown, eine lange Pause. 2020 ist noch offen.

Wann schreibst du am liebsten?
Ich schreibe nachmittags gegen vier Uhr, das ist quasi meine Bürozeit. Früher schrieb ich nachts mit Wein und Musik, das halte ich aber nicht mehr durch.

Wer liest deine Texte zuerst?
Eine gute Freundin.

Was bedeutet Literatur für dich?
Für mich persönlich bedeutet sie vor allem die Übertretung einer unsichtbaren Grenze am Rande meiner sozialen Klasse.

Was wäre, wenn dir jemand die Möglichkeit zu Schreiben wegnähme?
Das mag ich mir nicht vorstellen. Das Schreiben ist für mich wie ein absolutes Gespräch mit einem dauernden Gegenüber. Ich wäre sehr einsam.

Was würdest du anders machen, wenn du wüsstest, dass dich niemand beurteilt?
Ich würde besonders explizite Sexgeschichten veröffentlichen ohne Pseudonym.

Dein gegenwärtiger Geisteszustand?
Wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.

Erster Satz deines open-mike-Textes?
Der Vorhang ist geöffnet, der den Waschbereich vom Krankenzimmer trennt.

Schon aufgeregt vorm Auftritt? Wie bereitest du dich vor?
Irgendwie nicht. Ich versuche beim lautem Lesen auf die 15 Minuten zu kommen, das habe ich unterschätzt.

Dein aktueller Buchtipp und warum?
Kulturgeschichte der deutschen Küche. Von Peter Peter. Ich bin nicht gut darin, mir Historie zu merken, lerne sie aber in diesem Buch anhand eines Objekts (Essen) kennen. Es ist wie in einem der Bibi-und-Tina-Hörspiele. Bibi muss Mathe lernen und bekommt eine Aufgabe gestellt, die sie nicht begreift. Dann formt Tina sie um und ersetzt alles in der Textaufgabe durch Pferde und Pferdeäpfel.

Schick uns ein Bild von deinem Lieblingsarbeitsplatz und schreibe etwas dazu.
Die Pfote der Katze auf meinem Laptop, als deutete Sie darauf, lässt mich Schmunzeln. Das Schmunzeln spielt in meinem Roman immer wieder eine Rolle und bringt mich so spontan ins Schreiben. Geschrieben habe ich an verschiedenen Orten, bin viel herumgezogen. Das ist auch normal für das Leben einer Schriftstellerin, hin und wieder ein Residenz-Stipendium, hin und wieder eine Schreibzeit, zu der man sich an einen neuen Ort verzieht. Der schönste Schreibort ist für mich persönlich immer der, an dem ich Gesellschaft habe, die mich unbewusst zum Schreiben auffordert, inspiriert. In Frankreich, mit einer Gruppe, saß ich einst an einem runden Tisch aus Stein, der von einem Affenbrotbaum überwachsen war, die Sonne schien durch die Blätter. Alle taten etwas Eigenes in Stille.

Virginia Brunn wurde ausgewählt von Angela Tsakiris.

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Nail Doğan

Nail Doğan (Foto: © Sven Malke)

Nail Doğan, geboren in Augsburg 1988 als Sohn eines Gasttaxifahrer und einer Gastputzfrau. Lebt in Hamburg. Kaut Fingernägel. Hält sich über Wasser. Schreibt.

Nail Doğan wurde ausgewählt von Helge Pfannenschmidt.

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