Wolfgang und seine Freundin Kajal machen sich 1965 auf, um ein besseres Leben zu suchen. Sie finden Meister Lamprecht, seine schorfigen Rindenbeine und die Option, sich für ein freieres Leben einzupflanzen. Say what?
Dominik Haitz erzählt mit Meister Lamprecht die kurze Geschichte eines Paares, das irgendwo in Freiburg einen Guru aufsucht, um als Teil seiner Sekte neues Licht ins Leben zu lassen. Das geht so: Den Körper reinigen und von dem Bedürfnis nach fester Nahrung befreien, eins mit der Natur werden und sich – sprichwörtlich – einpflanzen. Wolfgang will genau das, er will so sehr diese neue Lebensform, diese neue Art der Gesellschaft, das Licht, das Wachsen in Richtung einer helleren Zukunft. Also glaubt er Meister Lamprecht, der mit seinem Zauselbart selbst schon aussieht wie eine Sonnenblume.
Wolfgang, der gebannt zugehört hatte, sah zu Kajal hin, und in seinem Hochgefühl entgingen ihm die Zweifel in ihren Augen.
Der Meister erklärt dem Paar Wolfgang und Kajal alles über die Lichtkunst, erzählt ihnen seine Geschichte vom Suchen und Gedulden, will sie einweisen in die große Kunst des Einpflanzens. Nach einigen Tagen im hölzernen Hochsitz beginnt Wolfgang mit seiner Wandlung, auf die er jede Hoffnung kippt. Halbnackt und barfüßig steht er stundenlang im Beet, bereit, das Sonnenlicht mit jeder Pore seines Körpers einzuatmen. Er spürt es, er spürt Veränderung, Licht in seinem Inneren – und ist heimlich enttäuscht, dass ihm noch keine Wurzeln aus den Füßen oder Triebe aus dem Bauchnabel gesprossen sind.
Was danach passiert, ist wenig überraschend. Der Werdegang von Wolfgang und Kajal, der Zweifel an der Echtheit des Meisters, der Zweifel an dem Hungernmüssen, die Tatsache, dass er große Summen Geld verlange. Wolfgang erkennt, dass seine »Vorstellung von einer neuen Welt« nicht weiter blüht, sondern allmählich verwelkt.
Meister Lamprecht ist eine Fabel über Hoffnung, Sehnsucht und Glaube. Fest verankert ist der Wunsch, etwas zu verändern, sich zu befreien aus den bisherigen bürgerlichen Klammern. Dominik Haitz wählt dafür leider Bilder und Figuren, die nicht neu sind – ein betrügerischer Guru, der kuriose Theorien vertritt, seinen Gläubigern Geld abzwackt und selbst ein feines Leben lebt. Auch dem Ausgang der Geschichte fehlt es an Raffinesse, an Schärfe. Dennoch erzählt er konsequent, bleibt stilsicher und den Figuren treu, zieht Elemente wie Licht, Wurzeln und Wachstum sicher durch. Und schön ist der Gedanke schon: Dass uns das Verlassen eines Irrwegs völlig neue Wege eröffnet.