Wie findet man seine Rolle in einer Familie, in der man zu den wenigen Überlebenden gehört? Péter Glück erzählt in seinem Romanauszug von einem Aufwachsen voller Ungewissheit. Und vom ständigen Herausgerissenwerden.
Hakim, der Erzähler wächst in einfachen Verhältnissen in Afghanistan auf. Seine Mutter stirbt bei seiner Geburt, sein Vater heiratet neu, bekommt einen zweiten Sohn, Khaled. Zusammen hüten die Brüder die Schafe der Familie. Raufen sich, jagen sich um die Herde und geben vor, Hunde zu sein. Später bauen sie Häuser mit ihrem Vater und beginnen, sich voneinander zu entfremden.
In unserer Familie waren die Toten lebendig. Manchmal lebendiger als die, die noch am Leben waren. Meine Großmutter. Mein Großvater. Vaters jüngere Brüder. Seine Schwester.
Die kindliche Art des Erzählers ist scharf kontrastiert durch die abgeklärten, nüchternen Sätze in denen sie beschrieben wird. Zwischen Ellipsen und knappen Beschreibungen spiegelt sich der Wunsch des Erzählers, Kind zu bleiben. Beständigkeit zu finden. Doch sie wird ihm nicht gewährt, Hakim muss erwachsen werden, wird wieder und wieder in neue Situationen geworfen, bis ihm zuletzt nicht einmal sein Zuhause bleibt.
Ich wollte keine Häuser bauen. Ich war immer noch ein Sage-Koochee. Gehörte zur Herde. Wollte wieder in die Berge gehen. Zu den Schluchten. Ins Tal. Durch den Fluss. Auf Bäume klettern. Obst pflücken.
Schlagartig, klar und ernst sind die Schilderungen Péter Glücks. Nichts wird schwungvoll umschrieben, alles ist sehr kurz, elliptisch und abgehackt. Ein Stil, der nicht jedem gefallen will und über den sich streiten lässt. Doch möchte man noch so viel mehr erfahren über Hakim und Khaled, über die sich anbahnende Flucht und darüber, wer die beiden Jungen einmal sein werden. So ist In diesem Leben ein Romanauszug, der durchaus Lust darauf macht, tiefer in seine Geschichte einzutauchen.