Könnte nicht alles auch ganz anders gewesen sein? Erst gibt es ein Gefühl, dann einen Verdacht, plötzlich häufen sich die Indizien. Kathrin Vieregg erzählt von Verschwörungstheorien.
Man rutscht hinein. Und wenn man drin steckt, kommt man nicht mehr heraus. Verschwörungstheorien sind Abgründe, die Menschen, Beziehungen und Gesellschaften verschlucken können. Kathrin Vieregg schreibt in Cui Bono sehr authentische Rollenprosa. Der Tonfall der Verschwörungstheoretiker, ihr Zynismus, ihr fehlgeleitetes Selbstbewusstsein, ihre Arroganz und ihre Aggressivität werden treffend intoniert.
Da fragt man sich doch, ob das Zufall ist, dass der direkt an dem Tag gefilmt wird. Und dann merkst du irgendwann: Ne, das ist kein Zufall. Das is’n billiges Alibi.
Wie soll man sich dagegen zur Wehr setzen? Wenn in den Vorwürfen der Empörten kein Platz mehr für Zweifel besteht, weil sich alles feindlich und verlogen anfühlt, dann ist da kein Durchkommen, keine Berührung mehr möglich. Am Ende wünscht sich sogar die Nicht-Verschwörungstheoretikerin, es möge etwas an den wilden Spekulationen des Gegenübers dran sein, damit endlich einmal wieder Austausch und Nähe möglich würden.
Auf kleinstem Raum zeichnet Vieregg eine Radikalisierung nach. Am Ende fehlt sogar den Fragen das Fragezeichen.
du und dein links-grün-versiffter schädel
bist du jetzt auch so eine weltbürgerin, oder was
Insgesamt ist Cui bono eine Runde Sache, die formal geschlossen und überzeugend daherkommt. Man könnte dem Text höchstens vorwerfen, dass er wenig Unbekanntes über das Thema zu sagen hat. Die O-Töne der Verschwörungstheoretiker sind bereits vielfach festgehalten worden. Ansätze zu einer literarischen Sinnstiftung, die über diese Mimikry hinausgehen würde, sind allerdings zu erkennen. Das Potential liegt in der Beschreibung der Reaktionen derjenigen Menschen, die mit den aggressiven Verschwörungstheorien konfrontiert werden. Besonders, wenn es sich dabei um geliebte Menschen handelt.