Wieder fällt uns auf, dass fast alle Teilnehmenden Akademiker:innen sind und dass überwiegend weiße Perspektiven von weißen Personen abgebildet werden.
Wir diskutieren und verlieren uns in Streitfragen wie: Was für ein Mittel ist Literatur? Wie viel Einfluss hat Literatur, welche Perspektiven werden ein- und welche ausgeschlossen? Welche Ursprünge könnte das haben? Und wie politisch muss Literatur in unserer Zeit sein?
Ja, es ist klar, dass wir das ganze im großen Zusammenhang der Geschichte sehen müssen. Dass vor allem jahrhundertelange Diskriminierung und struktureller Ausschluss von nicht-weißen Menschen ein tiefgreifendes gesellschaftliches Problem ist, das natürlich auch keinen Halt vor der Literaturbranche und seinen Schriftsteller:innen macht. Diese Unterdrückung ist bis heute nicht überwunden und zieht sich auch weiterhin durch alle Bereiche der Branche.
Beim open mike werden die Texte vor der Weitergabe an die Vorjury anonymisiert, das ist ein erster Schritt in Richtung möglicher Diversity. Ein weiterer wäre es, auch die Jurys noch diverser und multiperspektivisch zu besetzen. Nur greift hier wiederum die oben beschriebene Misere – die gesamte Literaturbranche ist leider, obwohl wir das Jahr 2022 schreiben, immer noch nicht divers genug. Ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
Trotzdem ist es notwendig, immer wieder darüber zu diskutieren, was sich ändern lassen kann und was wir selbst als Teil einer begleitenden, ebenfalls durchweg weißen Blog-Redaktion ändern können, um auch auf Literaturveranstaltungen solche Problematiken sichtbar zu machen. Fest steht: Wir brauchen unterschiedliche, queere, nicht-weiße und marginalisierte Stimmen in der Literatur(-branche), die für eine vielfältigere Gesellschaft notwendig sind und für diese kämpfen.
2 Gedanken zu “Aus dem Off #09: Ein Thema, das uns in der Blog-WG jedes Jahr beschäftigt”
Da zäumst du ein Pferd von hinten auf.
Zuerst müssen die Bildungswege durchlässiger werden.
Die ersten Schritte sind mit den syrischen Geflüchteten beschritten, denn wie keine andere nicht mitteleuropäisch gelesene Gruppe haben Kinder aus syrischen Familien den Weg in die Gymnasien gefunden. Bei Lesungen in München habe ich einige als Jugendliche Geflohene kennen gelernt, die zuerst Tagebücher, dann Geschichten und nun Bücher schreiben und veröffentlichen. Entwicklung braucht Zeit. Und manche Struktur ist nicht geeignet, Kindern Kreativität ausleben zu lassen.
Und BTW es wäre fatal, queere oder andere „andere“ Menschen auf Geschichten aus ihrem Mileu festzunageln.
Wer sagt dir denn, dass unter den Teilnehmer:innen niemand war?
Gut, die Hautfarbe siehst du aber alles andere würde ich mir nicht anmaßen zu SEHEN, wenn es nicht thematisiert wird. Und MUSS das jede Person? MUSS ich mich vorstellen als „hallo ich bin xy und ich verstehe mich als ….“? Muss ich das in meine Bewerbung schreiben?
Ich denke, da verlangst du viel. Manchmal will man auch nicht als „das Exot“ den Preis abräumen sondern über die eigene Kreativität.
Mich erinnert diese Diskussion ein bisschen an die (gut gemeinte) Gewohnheit, Schulfeste immer mit „Speisen aus der Heimat all unserer Schülerinnen und Schüler“ aufzupeppen.
Was waren meine Kinder genervt immer die „Exotenpampe“ liefern zu müssen.
Und auch mir ging es Jahr um Jahr mehr auf die Nerven, Lob für unsere ach so ausgefallenen Gewürze zu ernten.
Ja, das Anliegen ist richtig und global gesehen überfällig.
Aber, nein, ich will kein Festival, auf dem die Außenseiter wieder in ihrer Außenseiterrolle glänzen dürfen. Auch das kann als Diskriminierung wahrgenommen werden.
Vielen lieben Dank für dein Feedback und die wichtigen Punkte, die du ansprichst.