Nils Langhans
Wie kamst du darauf, dich beim 31. open mike zu bewerben?
Der open mike ist eine der wichtigsten Bühnen für angehende Schriftsteller:innen – dort lesen zu dürfen und gehört zu werden, ist eine wunderbare Chance, über die ich sehr glücklich bin.
Erster Satz deines open-mike-Textes?
Schwellenzeile, im Erwachen: entwirf dir treuen Fliegenpilz; später Niesen, schneegeschürzte Dachrinnen, Graulicht.
Wann und wo schreibst du am liebsten?
Ich schreibe am Morgen, meist gegen halb sieben oder sieben, kurz nach dem Traum und bevor alles beginnt: für eine Stunde oder anderthalb. Ich schreibe am Esstisch, die Tür ist geschlossen.
Und was läuft dazu im Hintergrund?
Das Quietschen der Trambahnschienen, alle sieben Minuten, gedämpft durch das geschlossene Fenster. Ansonsten ist Stille.
Wer liest deine Texte zuerst?
Zuerst liest immer meine Frau.
Was bedeutet Literatur für dich?
Literatur bedeutet für mich: die Suche nach einem Stand zwischen den Dingen und den Worten, den Versuch, eine Grenze zu überschreiten, in und mit der Sprache in den Hohlraum zwischen den Grenzen zu gelangen, all dies mit Wonne wie Verzweiflung im Angesicht der Vollzugsunmöglichkeit, vielleicht auch Irrealität dieses Unterfangens.
Wie bereitest du dich auf deinen Auftritt vor?
Ich werde den Text meiner Frau einige Male vorlesen (wenigstens so häufig, bis sie nicht mehr sagt, ich lese zu schnell). Und vielleicht kaufe ich noch Halslutschbonbons, man weiß ja nie.
Worauf freust du dich am meisten, wenn du an das Wettbewerbswochenende denkst?
Auf Gesichter, die ich kenne, und auf viele, viele neue Gesichter; auf jeden Text; auf den ersten Satz und den letzten.
Dein aktueller Buchtipp und warum?
Mutter (Ein Gemurmel) von Kate Zambreno in der Übersetzung von Dorothee Elmiger.
Schick uns ein Bild von einem Ort oder Gegenstand, der dich zuletzt zum Schreiben animiert hat.
(Bild des Genter Altars der Brüder Hubert und Jan van Eyck in der St.-Bavo-Kathedrale in Gent)
Nils Langhans, 1990 in Velbert geboren. 2021 war er Stipendiat der Autor:innenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquium Berlin sowie des 24. Klagenfurter Literaturkurs und stand auf der Shortlist des Edit-Essaypreis. Mit seiner Erzählung Alabama stand er 2019 auf der Shortlist des Wortmeldungen-Förderpreises. Aktuell arbeitet er an seinem ersten Roman und wird von der Julia Eichhorn Literaturagentur vertreten. Nils Langhans wurde ausgewählt von Sophie Priester.
**
Miedya Mahmod
Wie kamst du darauf, dich beim 31. open mike zu bewerben?
Verzweiflung lol
Erster Vers deines open-mike-Textes?
Wenn es in deiner Hand läge.
Wann und wo schreibst du am liebsten?
Wann: In der Zukunft. Wo: schwieriger, vielleicht bei Freund:innen? Habe bisher leider keinen eigenen, festen Ort dafür etablieren können.
Und was läuft dazu im Hintergrund?
Oh, richtig schwierig. Nicht nur Musik. Zum Teil auch einfach Nachrichten o.ä. – viele Bekannte sagen mir, sie könnten nicht so gut schreiben, wenn sie gesprochenes Wort hören. Mir ist die Lautstärke wichtiger. Ich habe eine starke Misophonie, bin sehr reizsensibel und halte Störgeräusche (keine Ahnung, nach welchen Kriterien mein Kopf etwas als störend einstuft, ich weiß nur: es passiert schnell, leider!) sehr schwer aus. Mein erstes (abgebrochenes lol) Studium bestand aus viel weinend aus dem Hörsaal schleichen bis stürmen. Manchmal reichte schon das Wippen mit dem Bein einer Person in der selben Reihe oder ein unregelmäßig, aber kontinuierlich, rein- und rausgeklickter Kugelschreiber. Im Hintergrund läuft also Lautes, im Versuch den sich aufdrängenden Vordergrund von eigentlicher Lärmkulisse ein wenig zu übertünchen.
Wer liest deine Texte zuerst?
Ich. Manchmal sogar erst auf einer Veranstaltung in Gänze, also vor, an guten Abenden eher mit, einem Publikum.
Ich habe ganz lange niemandem meine Texte gezeigt, vor allem meine Papierlyrik. Ich habe heute noch Probleme damit. Spoken Word lebt davon, dass das Andere nicht sieht, was auf dem Papier vorgeht. Ich habe das Gefühl, das hilft mir beim (teil-)öffentlich werden. Bei einem Gespräch müssen beide Seiten auf das vertrauen, was gesagt wird. Wir können nicht in den Kopf des Gegenübers sehen. Schreibe ich etwas auf und zeige es jemandem, fühlt es sich so an, als sei da kein Raum mehr für Missverständlichkeit bzw. trage ich sehr viel Sorge darum mit. Das ist natürlich Humbug, v.a. das konkrete Gedicht ist so viel manifestiertes Scheitern an Sprache. Aber ja, so ist das eben. In meinem Kopf waren alle Sätze wahrhaftig und für alle Komplexitäten gab es eine Grammatik, die gerecht wurde. Aufgeschrieben wird alles in allzu menschlicher Sprache – Schriftsprache obendrein!
Was bedeutet Literatur für dich?
Das möchte ich nicht verkürzt beantworten. Das kann ich ja schon mit viel Zeit und Raum gar nicht abschließend versprachlicht kriegen. Ich mag die Frage als Interviewfrage nicht, sorry! 🙁
Aber gerne ein andermal, als Gesprächsfrage taugt sie mir eher. 🙂
Wie bereitest du dich auf deinen Auftritt vor?
Zu wenig? Denke ich gerade, nach langem Überlegen einer Antwort. Ich glaube, ich freu mich schon, wenn ich davor mal wieder gut schlafen könnte und den Text okay gekürzt kriege. Da muss noch einiges raus, zeitlich, davor habe ich viel Respekt, weil mir selbst natürlich alles viel zu sehr miteinander verwoben und sich bedingend erscheint. Naja!
Worauf freust du dich am meisten, wenn du an das Wettbewerbswochenende denkst?
Auf den Austausch!!! Ich muss mich auch noch entscheiden, bei welchem Autor:innen-Workshop ich am liebsten wäre, total schwierig. Außerdem über die Anzahl an ausgewählten Lyrik-Einreichungen in diesem Jahr. Ich komme aus der Lyrik, ich glaube an Gedichte. In Deutschland wird Gedichte schreiben irgendwie oft als nischig abgetan oder Lyrik als unzugänglich. Das finde ich schade, fast falsch. Für mich bieten Gedichte häufig viel mehr Türen an als manche Prosa. Die Unterscheidung da aber auch schon … ich weiß nicht. Ich freu mich einfach auf die Meinung anderer, junger Lyriker:innen, so!
Dein aktueller Buchtipp und warum?
Sherko Bekas – Geheimnisse der Nacht pflücken.
Das war der erste und einzige Gedichtband, den ich je von meinem Vater bekam. Meine Familie hat mir keine Bücher mitgegeben und wollte lange auch gar nicht, dass ich auftrete und diesem Schreiben, diesem Unproduktiven, Nicht-universitärem, nachgehe. Es war krass, dass dieser Vater mir, sogar aus einem Antiquariatskatalog online bestellt, ein Büchlein voller Übersetzungen seiner Muttersprache, die er so sehr versucht hatte in mir zu bewahren, schenkte. Es gab keine (kurdischen) Bücher bei uns, nur, was ich an Schullektüre ansammelte und aus der Stadtbücherei mitbrachte.
Manchmal stoße ich noch immer auf einen Literarizitätsbegriff, der sagen würde: Wir hatten keine Geschichte(n).
Ich glaube, wer mit bestimmten, rigiden Vorstellungen von Literarizität liest, weiß nichts. Ok, vielleicht doch, bestimmt auch einiges, Kanonisches, wessen Kanon auch immer, aber zumindest nichts von Ortslosigkeit, von Zeitmangel und über den Trotz im Da-Sein von Geschichten.
Schick uns ein Bild von einem Ort oder Gegenstand, der dich zuletzt zum Schreiben animiert hat.
Miedya Mahmod, 1996 in Dortmund geboren, lebt, schreibt, arbeitet im Ruhrgebiet. Seit 2016 beschäftigt sich Mahmod mit Papier- und Bühnenlyrik. Zuletzt engagierte sich Mahmod in der AG Spoken Word des Netzwerk Lyrik. Miedya Mahmod wurde ausgewählt von Alexandru Bulucz.