Hannah K Bründl nahm 2019 am 27. open mike teil. Vor Kurzem erschien ihr Debüt Mother_s bei roughbooks. Wir haben Hannah ein paar Fragen dazu gestellt.
Vorschautext
»aus mir heraus ist ein baby / auf den boden gefallen«. In Hannah K Bründls Lyrikdebüt Mother_s geht es um Flintakörper, die als Mütter gelesen werden. Es geht um das Verhältnis zur »Muttersprache«, um das Zur-Welt-Bringen, Zur-Welt-Kommen. Es geht um die Frage, wie sich die Materialität der Körper neu definieren lässt, wie Handlungsmacht gegenüber dem eigenen Körper aussehen kann: An der Schnittstellen von Krankheit, Schwangerschaft und gesellschaftlichen Zuschreibungen zeigt Bründl Beziehungen zur sogenannten Natur auf – und begegnet ihnen mit den Mitteln der Kunst. Es geht um Geschichten und Perspektiven von Jo Cameron, Kybele, Johanna Hedva, Echidna, Paula Preradović, Biwi Kefempom, Krimhild, Marianne Bachmaier, Aileen Wournos, Patti Smith, Rose Lokissim, Sylvia Riviera, Marsha P. Johnson, Maë Schwinghammer, Osh-Tisch, Kayla Shyx, Lastesis, Iza, Anna, Agnieszka, Marta, Dorota, Kathleen Folbigg, June und Jennifer Gibbons, Wallada Bint Al-Mustakfi, Caconrad, Audre Lorde, Kim Kardashian, McKenzie Wark, Carambolage, Miss International Gay Rodeo Priscilla Toya Bouvier, Eileen Myles, Heloisa Epeida Paes Pinto Mendes Pinheiro, Caroline Polachek, Julia Wong Kcomt, Aryanna Falkner, Nina Simone oder Rachel Carson. »Am Ende spricht das Kind.«
Was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?
Uff 🙂
Wie ist die Idee zu deinem ersten Buch entstanden?
Ich lebe in einem Gebiet mit einem überdurchschnittlich hohen Ausmaß an Femiziden und Gewalt gegen weiblich gelesene Personen.
Ich lebe in einem Staat, der einen »Volkskörper« als gesund und cis-männlich imaginiert.
Ich lebe in einer Gesellschaft, die den körperlichen Schmerz von weiblich gelesenen Personen einerseits normalisiert und herunterspielt (Menstruation, Endometriose etc.) gleichzeitig jedoch dort tabuisiert, wo es intim wird (Geburt, Sexualität etc.). Erst im Juli dieses Jahres wurde einer Statue der Künstlerin Esther Strauß, die die gebärende Maria zeigt, von Unbekannten der Kopf abgeschlagen.
Ich schreibe in einem Diskursfeld, das eine männlich dominierte Medizin und Wissensverwaltung propagiert.
Ich schreibe in einem Wirtschaftssystem, das von Konkurrenz und Vereinzelung profitiert, anstatt Kollektive und Wahlverwandtschaften zu fördern.
Ich schreibe in einem Betrieb, der den traditionellen Naturdiskurs und das Natürlichkeitsbild als etwas Mildes und Schützenswertes zeichnet, Natur als Quelle von Inspiration und Unberührtheit lesbar macht, als etwas Ästhetisches und Gerechtes. Unser gesellschaftlich-menschlicher Blick auf die Natur jedoch kann per se immer nur ein künstlicher sein. Ich wollte das sogenannte Natürliche, dem wir ausgeliefert sind, auch als etwas Erdrückendes, Unnachgiebiges, patriarchal Geprägtes denkbar machen, wollte über Körperautonomie in unserer biologistischen und essentialistischen Vorstellung von Natur nachdenken, in der Nature Writing zwar Eco Criticism bedeuten kann, nicht jedoch feministische Kritik.
Ich bewege mich in einem Sprachraum, in dem die Muttersprache, auch im metaphorischen Sinn als erste Sprache am Herzen, etwas Empathisches, Sanftes darstellen soll. Doch muss die Sprache einer Mutter Zugang zu Krankheitserzählungen schaffen? Darf sie nicht auch krass und extrem sein, vor allem, wo sie Themen der Gewalt und Ungerechtigkeit berührt? Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, sagt Bachmann.
Wie nimmst du rückblickend die Zeit zwischen deiner Teilnahme am open mike und der Veröffentlichung deines Debüts wahr?
Ich hab in der Zeitspanne zwischen Wettbewerb und der aktiven Arbeit an Mother_s viel Theater und Hörspiel gemacht, habe multimedial und bewusst zwischen den Gattungen gearbeitet, habe in Kollektiven geschrieben und viel darüber nachgedacht, was (gedruckter) Text heute bedeuten kann. Eines Tages dann: Dass es um die Sprache an sich gehen muss. Dass am Verhältnis von Sprache zu Körper hantiert werden muss.
Was gefällt dir am besten am Schreiben?
Das Suchen, die Bewegung, das Schmerzliche, das Abstoßende und das Süße; Der Punk, die Zärtlichkeit;
Und was findest du am Unangenehmsten?
Die Ausschlussmechanismen des Betriebs
Welche anderen Künstler*innen prägen dein Schreiben?
Kunstschaffende, die uns kompromisslos fordern, die sich nicht scheuen, vorauszugehen und als edgy, unverständlich oder radikal zu gelten; die grundlegend an der Wurzel der Sprache oder der Kunst bohren, sie aufbrechen und neu zusammensetzen; die sich verweigern, die in ihren Werken, egal welcher Kunstform, abtrünnig werden, die grenzenlos, unersättlich und ungezogen sind; die vehement mit Theorie arbeiten; die sich selbst aufs Spiel setzen, die sich ob ihrer Verwundbarkeit nicht schämen, deren Unbeugsamkeit sich gerade darin ausdrückt;
zum Beispiel: Patti Smith, Ingeborg Bachmann, Leonora Carrington, McKenzie Wark, Jorinde Voigt, Kurt Cobain, Elfriede Jelinek, Maria Lassnig, VALIE EXPORT, Veza Canetti, Werner Schwab, Pussy Riot, Les Kurbas, Kathleen Hanna, Audre Lorde, LASTESIS, Ngwatilo Mawiyoo, Kenneth Goldsmith, Eva Egermann, Carolina Bianchi, Thomas Meinecke, Julia Ducournau, Angélica Liddell, John Koenig, David Lynch, Christoph Schlingensief, Sivan Ben Yishai, Anne Carson, Claude Cahun, Antjie Krog, James Joyce, bell hooks, Simone Weil, Lee Miller, Rainald Goetz, Robert Wilson, Susanne Kennedy, Gisèle Vienne, …
Welche Songs würde man auf dem Soundtrack zu deinem Debüt finden?
Caroline Polachek: Sunsets
Klitclique: DER FEMINIST F€M1N1$T
Hole: Babydoll
Nina Simone: Sinnerman
Patti Smith: Gloria
Queen: Killer Queen
Lingua Franqa: Bellringer
Kleenex: Hedi’s Head
M.D.C.: My Family is a Little Weird
Sonic Youth: Bull in the Heather
Ashnikko: Daisy
International Music: Für Alles
Nirvana: Turnaround (Devo Cover)
Soap & Skin: Me and the Devil
Carambolage: Tu doch nicht so
Endless Wellness: Newborn, Baby
PJ Harvey: Rid of Me
The Julie Ruin: Ha Ha Ha
Sleater-Kinney: The Day I Went Away
The Zombies: She’s Not There
Vielen Dank für deine Antworten.
Hannah K Bründl ist Autorin von Lyrik, Theatertexten, Hörspiel und Prosaformen. Sie studierte Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst sowie Germanistik an der Uni Wien, davor Komparatistik. Hannahs Arbeiten wurden in Zeitschriften (u.a. manuskripte, BELLA triste, Transistor, die horen) und in Anthologien wie dem Jahrbuch der Lyrik publiziert, zum open mike, Literarischen März und Berliner Hörspielfestival eingeladen. Hannahs szenische Texte waren beim Münchner Förderpreis, Hans-Gratzer-Stipendium, Retzhofer Dramapreis, Drama Lab der Wiener Wortstaetten und Nachwuchspreis des Theaters Drachengasse zu sehen und wurden mit Stipendien wie dem österreichischen Dramatiker:innenstipendium gefördert. 2020 entstand das im Kollektiv geschriebene und selbstproduzierte Hörspiel es gibt diese namen/es gibt diese wut über Sexismen im Literaturbetrieb. Es wurde für den ARD PiNball nominiert und bei u.a. SRF zwei und Deutschlandfunk Kultur ausgestrahlt. Im Herbst 2023 erschien Hannahs Lyrikdebüt Mother_s bei roughbooks. Aktuell sind Hannahs Texte auf der Longlist des Lyrikpreis München, der Shortlist des Feldkircher Lyrikpreis und Hannah ist Aufenthaltsstipendiatin am Literarischen Colloquium Berlin. www.hannahbruendl.com