Jan Imgrund nahm 2006 am 14. open mike teil. Vor Kurzem erschien nun sein Debüt Fusionskontrolle im Gans Verlag. Wir haben Jan ein paar Fragen dazu gestellt.
Vorschautext
Der Begriff »Fusionskontrolle« kommt aus dem Kartellrecht: Mit ihr soll verhindert werden, dass ein Unternehmen durch Aufkäufe oder einen Zusammenschluss zu mächtig wird. Doch nicht immer lassen sich die Auswirkungen kontrollieren – um Fusionen, die außer Rand und Band geraten, kreisen die bemerkenswerten Gedichte von Jan Imgrund.
Im Mittelpunkt steht der Mensch, der die moderne Technik, die er für seine Bequemlichkeit erfand, nicht mehr beherrscht. Zugleich fusioniert Imgrund disparate Materialien durch die intuitiven Verfahren der Dichtung: So legen sich im Innern der papiernen Brennzellen dieses Lyrikbandes Business-Sprache, technischer Jargon, Automobile und auf die schiefe Bahn geratene Tiere miteinander an. Das alles steigert sich hin zu wuchernder Komplexität; die namenlosen Ich-Erzähler führen orientierungslos durch Vorgänge, die sie kaum durchschauen und nicht mehr kontrollieren können.
Die Sprache des Bands kommt mal technisch-nüchtern, mal poetisch-sanft, dann wieder direkt und hart daher. Sie führt in eine von Menschen geschaffene und wieder verlorene Welt ein, die gegenwärtig und dystopisch zugleich wirkt. Wer sich als Leser darauf einlässt, erhält kein Ergebnis, aber einige formbare Elemente.
Was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?
Ein Gefühl von leichter Irrealität, wie immer, wenn ich meinen Namen im Druck sehe.
Wie ist die Idee zu deinem ersten Buch entstanden?
Ich schreibe schon sehr lange Gedichte; die Idee oder der Wunsch, daraus ein Buch zu machen, kam dann irgendwann dazu. Vor zwei Jahren habe ich drei Monate Pause von meiner Festanstellungsarbeit genommen, um Texte zu Ende zu schreiben und das Manuskript zusammenzustellen. Das hat großen Spaß gemacht. Es war auch erstaunlich leicht, zwischen zeitlich weit auseinander liegenden Texten Bezüge herzustellen.
Wie nimmst du rückblickend die Zeit zwischen deiner Teilnahme am open mike und der Veröffentlichung deines Debüts wahr?
Das war bei mir eine sehr lange Zeit, in der das Schreiben immer mal wieder in den Hintergrund getreten ist, aber nie ganz weg war. Bei der Teilnahme am open mike sind meine Texte zum ersten Mal überhaupt öffentlich in Erscheinung getreten. Und jetzt gibt es mit dem Buch eine Art Ankommen. Überhaupt habe ich den damaligen open mike in sehr guter Erinnerung; es sind dabei Freundschaften entstanden, die bis heute halten.
Was gefällt dir am besten am Schreiben?
Bei mir gibt es normalerweise drei Phasen: Materialsammlung, Kondensierung des Materials in mögliche Texte und schließlich das Fertigstellen. Das Sammeln geht so nebenher. Das Fertigstellen gefällt mir am besten: Es geht oft sehr schnell und ist manchmal geradezu rauschhaft, wo plötzlich Bezüge aufblitzen und sich Wege im Textdickicht auftun. Dagegen kann …
Und was findest du am unangenehmsten?
… die Phase in der Mitte quälend sein. Ich sitze stundenlang inmitten von Textschnipselbergen und frage mich, wie daraus jemals ein fertiges Irgendwas werden soll.
Welche anderen Künstler*innen prägen dein Schreiben?
Ein großes Aha-Erlebnis verdanke ich John Ashbery: Man kann ja alles sagen! Alle Wörter verwenden! Stark beeinflusst mich auch der ganz normale Wortsalat aus Werbung, Spam, Zeitung, Fachartikeln, der stets um uns herum ist.
Welche Songs würde man auf dem Soundtrack zu deinem Debüt finden?
Diese hier: https://tidal.com/browse/playlist/9572bb93-0445-405d-b350-30c89d3ed138
Vielen Dank für deine Antworten.
Jan Imgrund, geboren 1974 in Düsseldorf, ist Jurist und Lyriker. Er hat in Köln und Paris Rechtswissenschaften studiert und in Göttingen zu einem kartellrechtlichen Thema promoviert. Nach einer längeren Zeit in Brüssel, wo er als Rechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei gearbeitet hat, lebt und arbeitet er heute in Berlin. Er hat Gedichte in Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Im Jahr 2006 hat er an der Endrunde des open mike-Wettbewerbs teilgenommen.