Laura Schiele: Gedichte

Der zweite Beitrag am heutigen Open-Mike-Samstag kommt von Wahl-Leipzigerin Laura Schiele. Im April 1998 geboren, ist sie mit 19 Jahren das Küken des diesjährigen Wettbewerbs.

Mit ihren Gedichten steuert sie den ersten Lyrikbeitrag zum Wettbewerb bei und liefert den Zuhörern einen dankbaren Einstieg: Verständliche Poesie zum Warmwerden. Auch für lyrisch ungeübte BesucherInnen sind ihre Texte durchaus zugänglich, die Bilder zeichnet sie durch einen klaren Umgang mit Worten. Ihre Texte sind kurz und knapp, manchmal nur sechs Zeilen lang. Oft ist ihr Gegenüber ein Du, das in einer emotionalen Beziehung zum lyrischen Ich steht: Die Gedichte „Zeig mit deine Wunde“ oder „Mittag“ sind dafür beispielhaft.

Mittag

Ich will mit dir sein zum Mittag
wenn die Sonne im Zenit steht
dass alles keinen Schatten hat
im Licht steht vor mir dein Urbild
wahr und unverklärt
will die Sonne am Platz halten –
so soll sie nicht weiterziehen
und deine Schatten freilegen

Doch die Texte durchlaufen eine Entwicklung: Während die ersten Gedichte noch an der Oberfläche kratzen und kaum über blumige Beziehungsumschreibungen hinausgehen, erhalten die Texte schließlich mehr Tiefgang, werfen Fragen in den Raum und werden kritischer.

Ihre Gedichte bleiben dabei durchweg von Emotionen geleitet. Das vermittelt sie auf zweierlei Art und Weise: Direkt mit der konkreten Nutzung des Begriffs „Emotion“ und indirekt durch das Bearbeiten des jeweiligen Gefühls. So sind in „Antwort“ ihre „Emotionen noch ausstehend, wie in Warteschleife auf Eis hängen sie in der Luft“. Sie spricht außerdem von „verhärteten Menschenleben, die konservierte Emotionen halten“. In „Schwermut“ lässt sie schließlich das Gefühl in einem Tier aufleben, als Katze, die sich auf den Brustkorb der Erzählerin legt und ihre Krallen in sie bohrt. Die rosarote Brille des erzählenden Ichs wurde inzwischen abgelegt – glücklicherweise!

Denn während die Gedichte anfangs bequem wirken, fast zu bequem, verwandeln sie sich im Laufe der Zeit zu einer kritischen Betrachtung des Gegenübers und auch des Selbsts: Genau das ist die Seite von Laura Schiele, von der wir mehr sehen wollen.

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