Auch im Sommer 2016 erscheinen wieder viele spannende Prosa- und Lyrikdebüts. Einige von ihnen stellen wir in den kommenden Wochen vor. Den Autoren haben wir ein paar Fragen zur Literatur und Person gestellt.
Heute: Maren Kames
Erste Zeile/Vers (des Buches)?
EVERYTHING THAT HAPPENS IS FROM NOW ON.**
Was bedeutet literarische Tradition für Sie?
Offenbar geht es darum, das Land zu durchqueren, es womöglich zu besiedeln. Das bin also ich, wie ich das Land durchquere, es mir erschließe. Und ich trage eine große Lampe an der Stirn, einen Detektor für außergewöhnliche Vorkommnisse vor der Brust, einen Expeditionshut, beige, auf dem Kopf, ich trage meinen Kopf, und gegen das gleißende Weiß, die Schneewehen […] formuliere ich widerspenstige Sätze. Ich sage:
Zu gleichen Teilen bin ich der Landschaft ausgesetzt wie die Landschaft mir. Ich bin dem Weiß überlassen, wie das Weiß mir überlassen ist. Hier bin ich der Angst ausgesetzt, hier ist die Angst ausgesetzt. Das Land macht mir zu schaffen, ich mache mich am Land zu schaffen. Ich baue Dinge im Land, mit denen ich das Weiß vermesse oder eindämme, umstelle oder zeitweise überschreite. Ich trage auf und grabe aus, ich sammle und schiebe zusammen. Das sind die Schollen, die ich bilde im Land.
Ihr Motto?
Ich setz mich einfach auf diese Scholle hier, halte mein offenes Gesicht in den Himmel
und trinke diesen Regen.
Manchmal auch:
Ich setz mich einfach in die Nesseln hier und warte auf Besserung.
Ist Lyrik essentiell?
Von Zeit zu Zeit weiß ich dem Gebiet nicht beizukommen. Man droht sich alle paar Meter zu verlaufen. Die Suche nach einem Zusammenhang im Land gestaltet sich schwierig, die Infrastrukturen sind nahezu aufgelöst. Es gibt hier keine Wegweiser. Es gibt so viele freie Flächen, offenbar handelt es sich zu großen Teilen um nicht erforschtes, nicht besiedelbares Gebiet. Vage Vektoren zeichnen sich als momentane Marschroute über das Revier, aber es gibt so viele unterschiedliche Richtungsmöglichkeiten. Und vielleicht ist es so: An diesen Schollen ist das Land zusammen genäht, hier wird es reißen.
Was wäre für Sie das größte Unglück?
An diesen Schollen ist das Land zusammen genäht, hier wird es reißen.
Was möchten Sie sein?
Nimm meinen Schädel. Das ist das Land.
Was soll man nach der Lektüre (Ihres Buches) machen?
[…] dann gehen wir in die Disko, kommt ihr mit.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Ich glaub ich spuke.
** aus: Bon Iver. Re: Stacks
Alle Antworten sind Zitate aus:
Maren Kames: »Halb Taube halb Pfau«, Secession Verlag für Literatur, Zürich 2016,
Maren Kames wurde 1984 in Überlingen am Bodensee geboren. Sie studierte Kulturwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft in Tübingen und Leipzig, danach am Institut für Literarisches Schreiben in Hildesheim. Sie ist ehemalige Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift BELLA triste. 2013 erhielt sie den Jury- und Publikumspreis des 21. Open Mike. Im Sommer 2014 war sie Stipendiatin des interdisziplinären Gargonza Arts Awards in der Toskana und eingeladen zum 18. Klagenfurter Literaturkurs. An der Schnittstelle von Text, Stimme, Sound und Komposition entwickelte sie seitdem verschiedene Projekte und Formate, unter anderem einen akustischen White Cube für das Literaturfestival Prosanova und eine Audio-Performance für das Haus der Kulturen der Welt. 2015 erhielt sie ein Stipendium des Berliner Senats, den Winter 2016/2017 wird sie als Stipendiatin des Literaturhauses Stuttgart auf Schloss Solitude verbringen. Maren Kames lebt als freie Autorin und wissenschaftliche Ghostwriterin in Berlin. HALB TAUBE HALB PFAU ist ihr erstes Buch.