Die Kandidaten des 24. open mike 2016. Heute von P – Schi

Julia Powalla, Benjamin Quaderer & Felix Schiller

Julia Powalla

Was liest Du gerade?
Hauptsächlich Manuskripte, bei denen ich mit den Autoren gemeinsam schaue, wie sie noch besser werden können. Und sonst verschiedene Bücher parallel: ein Sachbuch über den evolutionären Ursprung von Emotionen, eine poetische Übersetzung der Bhagavad Gita, Erzählungen von Etgar Keret. Ich mag seine überraschenden Wendungen, den Humor und die Tiefe, die sich manchmal erst gegen Ende erschließt – großes Kino!

Woran schreibst Du gerade?
An einem Bestseller-Roman voller Action, Liebe und Tod, für den ich hoffentlich noch im nächsten Jahr den Nobelpreis erhalten werde.

Was bedeutet Literatur für Dich?
Verdichtung. Das Wichtigste bleibt ungesagt. Darum liebe ich Erzählungen. Und während Arne Rautenberg das Verschwinden der Lyrikregale besingt, ist es für mich ein Skandal, dass es für Erzählungen im Buchladen gar kein eigenes Regal gibt, das verschwinden könnte. Will man nach Kurzgeschichten stöbern, irrt man durch ein Meer von Romanen. Man muss jedes Buch einzeln aus dem Regal ziehen und untersuchen. Manchmal ist es den Verlagen so peinlich, dass ein Buch kein Roman ist, dass sie das Wort „Erzählungen“ gar nicht aufs Cover drucken. Einmal habe ich einen vermeintlichen Roman gekauft und erst bei der Hälfte der Lektüre begriffen, dass es sich um einen Erzählband handelt.

Wer sind Deine literarischen Helden?
Mir fällt gerade „Der Zementgarten“ von Ian McEwan ein. Darin baut er eine immense physische Spannung auf und bleibt sprachlich völlig unprätentiös – man könnte das Buch als Psycho-Thriller lesen – für Insider aber ist es hochliterarisch; da ist kein Wort zu viel gesetzt. Ich mag aber auch Sprachexperimente wie die Lesung von Tomer Gardi beim letzten Bachmannpreis – die gebrochene Sprache hat für mich eine neue Wahrnehmungsebene geöffnet. Atmosphärisch hat mich sicher auch das Programmkino geprägt – Filme wie „lawn dogs“ – diese trügerische Idylle, das liebe ich sehr.

Wem erzählst Du Deine Geschichten?
Am Beruf der Schriftstellerin reizt mich vor allem die Chance, mit der Zukunft zu kommunizieren. Ich stelle mir meine Leserin am liebsten als jemanden vor, der erst nach meinem Tod geboren wird und dem ich erzählen kann, wie das heute so war.

Deine gegenwärtige Geistesverfassung?
Ich hatte schon alle Fragen beantwortet und versehentlich auf „nicht speichern“ gedrückt …

Erster Satz Deines open mike-Textes?
„Zoey folgte dem Trampelpfad, der durch ein rostiges Eisentor in einen Waldausläufer führte.“

Julia Powalla
Julia Powalla

Julia Powalla, aufgewachsen im Rheinland der 80er und 90er Jahre. Längere Aufenthalte in Amsterdam, Südkorea und Australien. Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Finalistin beim 16. open mike. Autorin bei 24h Theater. Teilnehmerin der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung im Herrenhaus Edenkoben, Stipendiatin im Künstlerdorf Schöppingen. Mitglied des Autorenkombinats Kommando Torben B.. 2015 Gründung der Autorenschule Haus des Schreibens in Berlin.
Julia Powalla wurde ausgewählt von Marion Kohler.

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Benjamin Quaderer

Was liest Du gerade?
Die Wochenendausgabe der Haaretz vom 15./16. Oktober 2016.

Woran schreibst Du gerade?

An einem langen Text über einen bösen Mann aus einem kleinen Land in den Alpen.

Was bedeutet Literatur für Dich?

Brille, Axt, Zauberstab.

Wer sind Deine literarischen Helden?
Das pubertierende Du aus David Foster Wallaces Forever Overhead zum Beispiel.

Wem erzählst Du Deine Geschichten?
Internet, Family and Friends.

Deine gegenwärtige Geistesverfassung?
?

Erster Satz/Vers Deines open mike-Textes?
Wie kalt die Welt war

Benjamin Quaderer
Benjamin Quaderer

Benjamin Quaderer wurde 1989 in Österreich geboren, weil seine Mutter dem einzigen Krankenhaus des Fürstentum Liechtensteins nicht vertraute. Nach Verlassen des Kleinstaats studierte er Literarisches Schreiben in Hildesheim und in Wien, war Mitherausgeber der Literaturzeitschrift BELLA triste und Teil der künstlerischen Leitung von PROSANOVA 2014 – Festival für junge Literatur. Heute lebt Benjamin Quaderer als freier Unternehmer in Berlin.
Benjamin Quaderer wurde ausgewählt von Esther Kormann.

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Felix Schiller

Was liest Du gerade?
Stücke von Sarah Kane; Gedichte von Kim-Chi Ha und Jan Skácel

Woran schreibst Du gerade?
Leider nur an Bewerbungen, derzeit.

Was bedeutet Literatur für Dich?

Formsuche für die Atmosphären aus Sinnlichem, Gefühlen und Wissen, die mich bestimmen. Formfinden für diese Gemische aus Impulsen, die in den schon bereitstehenden Formen keinen Ausdruck erlangen. Also Versuch eines Sinnschaffens, wo keiner werden kann, dadurch scheiternder Versuch einer Rettung natürlich, in diesem Trotzdem letztlich: Würde.

Wer sind Deine literarischen Helden?
Wonach ich die letzten Jahre mehrmals gegriffen habe und immer wieder greife: Gedichte von Mina Loy, Ko Un, Inger Christensen, Octavio Paz, Anne Sexton, Nicolas Born, Wolfgang Hilbig, Katharina Schultens, Uljana Wolf, Thomas Kunst, Ulf Stolterfoht…; Prosa von Herta Müller, Alexijewitsch, Cortázar, Gogol, Woolf, Sebald, John Berger…; die Stücke von Wolfram Lotz…

Erster Satz/Vers Deines open mike-Textes?
gestern noch flüssige phase gewesen, fast gas.

Felix Schiller
Felix Schiller

Felix Schiller, 1986 geboren. Studium Philosophie, Geschichte und Germanistik in Freiburg, Basel, Wien und La Paz. Mitbegründer der Lesereihe zwischen/miete. Junge Literatur in WGs. Finalist des 22. open mike (2014), Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg (2015), Superpreis für Literatur der Zeitschriften metamorphosen und Parsimonie (2016). Veröffentlichungen u.a. in den Anthologien Lyrik von Jetzt 3 (Wallstein) und all dies hier, Majestät, ist deins. Lyrik im Anthropozän (kookbooks).
Felix Schiller wurde ausgewählt von Daniela Seel.

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