Simon Liening: Rot

Tag zwei des 27. open mike beginnt, Simon Liening eröffnet nach der obligatorischen Begrüßung. Die noch merkbare Müdigkeit im Publikum wird in seinem Text gekontert mit ordentlich Bewegung.

Denn in Rot geht es um das Laufen. Laufen kann so vieles sein: Fitness, Meditation, Weglaufen, Vergessen, Religion. Oder eben auch Wettkampf. In Simon Lienings Text steht vor allem der letzte Aspekt im Vordergrund. Der Protagonist läuft, um besser zu sein als andere. Er ist besessen von der Idee, herauszustechen, durch seine Leistung zu überzeugen, ja, zu glänzen.

Du musst immer ein bisschen mehr machen als die anderen. Jeden Tag. Nicht viel, nur ein bisschen. Aber eben mehr. Doch was und wie viel davon ist mehr? Wer macht was und wie viel davon? Und wer weiß das schon?

Aber gleich neben dem Glanz liegt auch schon der schöne Schein, von der Aufopferung ist es nur ein kleiner Schritt zum Selbstbetrug, und so übernimmt sich der Protagonist und bricht auf der Strecke zusammen. Nicht jedoch, ohne sich in vielen tastenden Überlegungen rund um den verhängnisvollen Lauf über das Laufen, das Leben und auch sonst vieles andere zu ergehen.

Der Text schafft es, die Bewegung des Inhalts auch formal mitzugehen, Tempo aufzunehmen und nach dem Zusammenbruch dieses auch wieder herauszunehmen. Das unterstreicht auch der durchaus dynamische Vortrag des Autors. Und doch stört etwas, und das ist vor allem der Ton der Überlegungen in Rot. Für einen jungen Text kommt der – ebenso junge – Protagonist zu altklug daher. Er tendiert dazu, über den Wettkampf – sowohl gegen andere als auch gegen sich selbst – zu dozieren, anstatt den Kampf zu inszenieren, zu erzählen.

Damit finden sich in Simon Lienings Text vor allem gute erzählerische Ansätze, die aber leider von einer zu altklugen und auch etwas vorhersehbaren Introspektive überlagert werden.

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