Timotheus Riedel: „Malkowski. Eine Szene“

„Allenthalben surrt es“ – Einen sprachlich wuchtigen Einstieg wählt Timotheus Riedel für seinen Text „Malkowski. Eine Szene“. Uff, was da wohl noch auf uns zu kommt?

Glücklicherweise geht es milder weiter: Wir sind in Penville, Ohio, und lernen Stanley Malkowski kennen, auch M. genannt oder Stan, der eines Tages im Juli 2014 beschließt, wahnsinnig zu werden. Ganz unaufgeregt trifft M. diese Entscheidung und teilt sie daraufhin seiner Freundin Judith mit:

Judith.

Sie machte das am wenigsten anstrengende Geräusch, ein Atmen, das nur im Vorübergehen einmal knackend die Stimmbänder streicht.

Ich hab mich entschieden, wahnsinnig zu werden.

Sie drehte sich weg.

Von nun an begleiten wir M. und blicken aus verschiedenen Perspektiven auf das langsame Voranschreiten seines Verrückt-Seins. Timotheus Riedel spielt dabei mit verschiedenen literarischen Formaten: Er wechselt zwischen Erzählung, Gespräch und Monolog. Die Sprünge lassen den Text fast filmisch wirken und geben ihm eine kurzweilige Leichtigkeit.

Während M. in der Psychatrie ist und verschiedene Tests durchläuft, entscheiden sich immer mehr Leute in Penville dafür, wahnsinnig zu werden. Wie eine Epidemie greift der Wahnsinn um sich.

Auch sprachlich hat der Text einiges zu bieten. Er zeichnet sich vor allem durch seine kunstvollen Wiederholungen aus: Er zaubert ein sprachliches Stakkato („Stanley putzte Zähne. Stanley ging auf die Toilette. Stanley wusch sich die Hände und warf sich Wasser übers Gesicht“), das sich auch in der Lesung von Timotheus Riedel widerspiegelt. Die Wiederholungen finden sich auch auf inhaltlicher Ebene: So beobachten wir M. immer wieder dabei, wie er den linken Ärmel seines Hemdes zurück in die Ellbeuge schiebt. Die ruhige Sprache des Autors stellt einen Kontrast zum Wahnsinn dar und verleiht dem Stück das Gefühl eines Gruselfilms.

Timotheus Riedel bewegt sich dabei stets auf einem schmalen Grat zwischen Witz und Horror.

Morgen kommen die Dillards zum Abendessen. Du kannst jetzt nicht wahnsinnig werden!

Der Text spaltete die Redaktion. Ein paar Fragen, die dabei aufkamen: Weshalb riecht die Haut der Freundin mal wieder nach Pfirsich? Wieso spielt das ganze in Penville, Ohio? Ist Amerika der ultimative Schauplatz des Wahnsinns?

Ein dystopischer Text, gespickt mit schwarzem Humor und psychologischem Tiefgang.

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