Die Kandidat:innen des 30. open mike | Ruth-Maria Thomas, Clara Cosima Wolff und Anuscha Zbikowski

Ruth-Maria Thomas

Ruth-Maria Thomas
Ruth-Maria Thomas © Matthias Wolf

Wie kamst du darauf, dich beim 30. open mike zu bewerben?

Ich habe diesen Text geschrieben und ich wollte, dass er gehört wird.

Erster Satz deines open-mike-Textes?

Ich stehe vor dem Gerichtssaal und meine Hand juckt …

Wann und wo schreibst du am liebsten?

Ich habe mit fünf Freund:innen einen Raum zum Schreiben. Das ist richtig gut, um konzentriert zu arbeiten. Aber ich schreibe eigentlich überall gern. Am liebsten an Orten, an denen Menschen sind und Dinge tun: Freibad, Regio, Café …

Und was läuft dazu im Hintergrund?

Hintergrundgeräusche <3

Wer liest deine Texte zuerst?

Ich bin sehr dankbar für meine tollen Freund:innen, die sich immer Zeit für meine Texte nehmen. Und meine kleine Schwester.

Was bedeutet Literatur für dich?

Ein Fenster zur Welt.

Schon aufgeregt vorm Auftritt? Wie bereitest du dich vor?

Noch geht es einigermaßen. Ich werde meinen Freund:innen vorlesen, bis sie zufrieden sind, haha.

Worauf freust du dich am meisten, wenn du an das Wettbewerbswochenende denkst?

Auf die Workshops vorher. Auf die Texte der anderen. Und auf das Gefühl danach. 

Dein aktueller Buchtipp und warum?

Ich habe im August zum Beispiel Ewig Sommer von Franziska Gänsler gelesen. Das Buch hat mich in seine Welt gesaugt – die Bedrohlichkeit von Klimakrise und toxischer Beziehung war spürbar und trotzdem gab es sowas wie sichere Orte für mich beim Lesen.

Schick uns ein Bild von einem Ort oder Gegenstand, der dich zuletzt zum Schreiben animiert hat.

Ruth-Maria Thomas, 1993 geboren, in Cottbus aufgewachsen, ist Sozialarbeiterin und war in der Jugendhilfe tätig. Seit 2019 studiert sie am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und ist Mitgründerin des erotischen Literaturmagazins Hot Topic!. Zurzeit arbeitet sie an ihrem ersten Roman. Ruth-Maria Thomas wurde ausgewählt von Anna Humbert.

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Clara Cosima Wolff

Clara Cosima Wolff
Clara Cosima Wolff © Philip Lodd

Wie kamst du darauf, dich beim 30. open mike zu bewerben?

Private Textwerkstatt Hildesheim

Erster Vers deines open-mike-Textes?

Buchstaben legen sich umeinander in Zeilen aufgespalten

Wann und wo schreibst du am liebsten?

Zug, Fensterbank, morgens, müde, langsam, Café, im Denkmodus des Nicht-Organisatorischen

Und was läuft dazu im Hintergrund?

Umgebungsklirren, ADHD, Keith Jarrett

Wer liest deine Texte zuerst?

Es dauert meist sehr lang, bis irgendwer anders sie zu Gesicht bekommt. Wer das dann ist, ist stets verschieden.

Was bedeutet Literatur für dich?

Was mich anzieht, ist die Ungeläufigkeit der Sprache, und darin dann Vorstellungen von Schönheit zu finden. Der Prozess der konzentrierten Verlangsamung, der sich in dichten Texten vollzieht. Die Verunsicherung automatischen Sprachgebrauchs, die dann eine Erweiterung der Gedanken ermöglicht.

Schon aufgeregt vorm Auftritt? Wie bereitest du dich vor?

Noch überwiegt die überraschte Freude, Aufregung wird vor Ort kommen. Gerade übe ich ein
schöneres S.

Worauf freust du dich am meisten, wenn du an das Wettbewerbswochenende denkst?

Auf den Text von Felix. Auf Austausch, Leseeindrücke, anregende Gespräche.

Dein aktueller Buchtipp und warum?

Sandra Burkhardt: wer A sagt. Sprachkosmetik, dichte Verwobenheit, Buchgestaltung.

Schick uns ein Bild von einem Ort oder Gegenstand, der dich zuletzt zum Schreiben animiert hat.

Clara Cosima Wolff, geboren 1993, studiert Literarisches Schreiben in Hildesheim und promoviert im Forschungsprojekt Poetry in the Digital Age in Hamburg. Sie ist Teil des Kollektivs lyrika. Clara Cosima Wolff wurde ausgewählt von Hans Jürgen Balmes.

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Anuscha Zbikowski

Anuscha Zbikowski
Anuscha Zbikowski © STUDIO KOSTON Pascal Koston

Wie kamst du darauf, dich beim 30. open mike zu bewerben?

Hab eigentlich nach interessanten Lesungen auf der Internetseite vom Haus für Poesie gesucht.

Erster Satz deines open-mike-Textes?

Geronimo läuft durch Charlottenburg. 

Wann und wo schreibst du am liebsten?

Abends. In der S-Bahn.

Und was läuft dazu im Hintergrund?

Nichts, keine Musik. Nebengeräusche jedoch mag ich. Ich höre Murmelgespräche, gedämpft wie in einem Aquarium. Die Ablenkung lauert überall.

Wer liest deine Texte zuerst?

Nach mir? Niemand. Ein Freund, dem ich zuletzt meine Texte gezeigt habe, ist gestorben. Wohl nicht wegen meiner Worte! – aber mit ihnen. 

Was bedeutet Literatur für dich?

Ich beneide Personen, denen Literatur egal ist. Die ab und zu ein Buch lesen; die ab und zu ein Wort schreiben. Literatur birgt Sucht- und Fluchtgefahr. Mein Puls beschleunigt sich, wenn die Finger Seiten ertasten. Wenn mir der Geruch von bedrucktem Papier in die Nase steigt, erzittert es in mir. Literatur ist Nahrung und Sauerstoff und die Skizze eines Zuhauses. Das Problem: eine einseitige Abhängigkeit. Die Literatur braucht mich nicht. Doch ich, ich würde verenden in ihrer Abwesenheit. 

Schon aufgeregt vorm Auftritt? Wie bereitest du dich vor?

Durch konsequente Verdrängung. Dann überkommt mich in unregelmäßigen Abständen ein Anflug von Gewissen, ich lese mir den Text laut vor, wiederhole routiniert alle Fehler in Aussprache, Betonung und Geschwindigkeit, ärgere mich, rede ein ernstes Wort mit mir, zucke mit den Schultern. Irgendwann von vorne. 

Worauf freust du dich am meisten, wenn du an das Wettbewerbswochenende denkst?

Begegnungen.

Dein aktueller Buchtipp und warum?

Ihr stellt vielleicht Fragen – so kurz nach der Verleihung des Deutschen Buchpreises und der Buchmesse soll sich jemand für ein einziges Buch entscheiden? Normalerweise würde ich direkt antworten mit Kim de l’Horizons Blutbuch
Um aber noch eine weniger präsente Perspektive vorzustellen, lege ich ein Werk ans Herz, das meiner Meinung nach in diesem Jahr – mit Spanien als Ehrengastland auf der Frankfurter Buchmesse – hervorgekramt werden könnte: Der gefrorene Mann von Joseba Sarrionandia, aus dem Baskischen übersetzt von Petra Elser und Raul Zelik.

Schick uns ein Bild von einem Ort oder Gegenstand, der dich zuletzt zum Schreiben animiert hat.

Anuscha Zbikowski, geboren 2001 in Berlin – wohnt dort mittlerweile auch wieder. Studiert Deutsche Literatur und ein bisschen Erziehungswissenschaften. Stipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Poetry Slam, manchmal Lyrik. Anuscha Zbikowski wurde ausgewählt von Anna Humbert.

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