Maria will Stefan heiraten und ein Kind von ihm. „Und Stefan? Stefan macht mit.“, „Halbschwetser hin, Halbschwester her.“ Simon Kalus liest seine Inzestgeschichte, über der das „Mutantendamoklesschwert“ schwebt, so süßlich-rauchig, dass sich einem die Haare noch steiler zu Berge stellen, als sie es schon beim stillen Lesen tun. Aber was soll er auch anderes machen, bliebe sonst wohl gar nichts mehr übrig von dieser faden, „parataktischen Suppe“ (aufgeschnappt im Pausengespräch), die wir hier löffeln. Stellenweise dann doch urkomisch, weil spitzfindig gedichtet („Und als Maria der Damm bricht und das Kind hervorsticht, ist es Stefan, der sich auf die Schuhe erbricht …“) oder lakonisch-pseudolässig („Die Affen fänden das sicher i. O.“) kann dieser Text sein, aber diese Stellen sind rar gesät und so auch das Vergnügen an diesem Beitrag.
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Leseprobe: Simon Kalus; Babyfischglück
Maria meint, Liebe in Reinform sei unklar und asozial. Manchmal liebt sie Stefan. Für paar Minuten. Doch die Liebe muss öffentlich werden, sagt sie. In ein Register eingetragen werden. Das macht sie klar und sozial.
Maria will Stefan heiraten.
Stefan träumt davon, in den Dschungel zu den Affen zu ziehen. Vielleicht fände er da wahre Freunde. Und da könnte er auch mit Maria rummachen, Halbschwester hin, Halbschwester her. Die Affen fänden das sicher i. O.
Jedenfalls wäre alles leichter, denkt Stefan, wenn da nicht das Kinderthema wäre. Das Mutantendamoklesschwert, das über ihnen schwebt, das Inzeststigma.
Maria behauptet: Kinder sind die verlängerte Hoffnung, dass der Lebenssinn eines Tages doch noch aufgefunden wird. Wenn schon nicht durch einen selbst, dann irgendwann durch irgendwen. Maria gesteht, sie habe nicht genug Fantasie, sich selbst Idiotien auszudenken, deshalb nehme sie die: Man heiratet und macht Kinder.
Doch weil Geschwister hier nicht heiraten dürfen und Heiraten nur auf Amtswegen geht, bleibt Maria allein das Kindermachen.
Und Bruder Stefan? Stefan träumt dauernd vom Dschungel, von einem Wald voll fliegender Fische, Stefan träumt davon, dass alles anders ist, als es ist.
Stefan will keine Kinder. Doch Maria will nun mal ein Kind mit ihm machen. Und Stefan? Stefan macht mit.
Er fühlt sich zu wertlos, seinen Kopf durchzusetzen. Stefan hütet das Minderwertigkeitsblümchen in sich. Stefan ist selbst bei der Geburt mit dabei, obwohl er Blut und Schleim nicht ausstehen mag. Stefan ist da, weil Maria es will. Und als Maria der Damm bricht und das Kind hervorsticht, ist es Stefan, der sich auf die Schuhe erbricht …
Ein Pfleger nimmt ihn am Arm und sagt, so was können wir hier nicht gebrauchen, und Stefan hält sich die Hand vor den Mund und nuschelt: Finde ich auch.