Aus der Textwerkstatt von Julia Powalla

Literatur-Talk

Wenn man Schriftsteller werden will, muss man an Wettbewerben teilnehmen. Vergeblich verfasste ich jahrelang Kartoffelkrimis und Theaterstücke zum Thema ‚Reden statt Gewalt‘. Doch dann gewann ich einen Wochenend-Workshop im Hotel mit zwanzig anderen Nachwuchsschriftstellern. Es sollte Gespräche geben mit großen Autoren und Lektoren. Außerdem viel Zeit, Essen und einen Wellnessbereich.
Ich traf Nina wieder, die ich schon von einem anderen Wettbewerb her kannte. Wir wollten die Sauna auschecken.
„Es muss auch einen Pool geben“, sagte ich, während wir uns mit einem großen Autoren, dessen Namen ich noch nie gehört hatte, in den Fahrstuhl zwängten.
„Hast du einen Badeanzug dabei“, fragte Nina.
„O nein“, ich verzog das Gesicht, „gestern hatte ich noch dran gedacht.“
„Ihr könnt doch auch nackt schwimmen“, grinste der Autor, der sich als ‚der Torben‘ vorstellte.
Wir liehen uns Bademäntel und waren froh, die Sauna leer vorzufinden, ohne Tellkamp, Suhrkamp, nur ein paar Holzbänke. Nina setzte sich nach oben, während ich mich weiter unten auf den Rücken legte. Wir sprachen erst über Schreibkrisen, dann über Männerkrisen.
„Er hört mir einfach nicht zu“, sagte Nina, als sich die Saunatür öffnete. Herein kam ein Mann voller Haare. Es war Torben, der Autor aus dem Fahrstuhl.
Ich setzte mich auf und schwang mir das Handtuch über den Schoß.
„Ihr seid sicher in literarische Gespräche vertieft“, sagte er.
Ich nickte.
„Von dir war der Asien-Text.“ Er setzte sich mir gegenüber.
„Buddha am Strand“, sagte ich und griff nach der Wasserflasche.
„Ist der Text autobiografisch?“
„Sowas fragt man doch als Profi nicht“, sagte ich, „aber ja – ich war mal in Thailand.“
„Bis später!“ Nina verließ die Sauna. Die Tür fiel hinter ihr zu und ein Schwall Hitze kam mir entgegen.
„Als deine Hauptfigur im Tempel diesen Australier kennenlernt …“
„Jack.“
„Mit dem will sie doch ins Bett.“
Meiner Meinung nach war es eine unbedeutende Passage und eigentlich suchte meine Figur den wahren Buddhismus.
„Nicht wirklich“, sagte ich, „vielleicht flirtet sie ein bisschen rum …“
„Sie genießt also, dass Jack sich Hoffnungen macht und dann schickt sie ihn mit steifem Schwanz in der Hose wieder nach Hause.“
„Ich glaube nicht, dass sie so abgebrüht ist.“
„Eigentlich will sie es doch mit allen treiben, die ihr über den Weg laufen.“
„Eher interpretieren die Männer es so.“
„Aber sie will doch“, sagte er, „klar will sie Sex.“
Ich mochte nicht, wie er das Wort aussprach.
„Nicht mit irgendwem“, sagte ich. „Lässt du mich vorbei?“
Torben stand auf, doch dann stellte er sich vor die Tür und breitete die Arme aus.
„Sie sucht also den einen einzigen?“
„Ja.“ Ich hatte mich auf eine kalte Dusche gefreut. Stattdessen wurde ich von ätherischen Ölen benebelt.
„Und wie sieht der Sex mit dem aus?“
In meinem Kopf war es glühend heiß. Ich hielt das Handtuch fest, in das ich meinen Körper gewickelt hatte.
„Er lässt ihr … alle Freiheiten …“
„Und – macht sie das an? Wird sie dominant?“
„Na ja – selbstbewusst. Und klar legt sie ihre Schüchternheit ab.“
„Und traut sich …“
„Vor der Szene hab‘ ich mich bisher gedrückt. Ist schwer, das in Wort zu fassen, ohne ins Klischee zu geraten.“
„Aber ewig drücken kannst du dich nicht.“
„Nein.“
„Wenn du vor einem Fremden masturbieren würdest – wäre das pervers?“
„Ja.“
„Du würdest es aber tun.“
Meine Beine wurden schwach. Ich setzte mich wieder auf die Holzbank.
Torben kam auf mich zu. „Du sehnst dich doch nach …“
Hinter ihm ging die Tür auf und herein kam die Lektorin von meinem Traumverlag, vor der ich gestern beim Abendbrot kein Wort herausgekriegt hatte.
„Ihr führt wohl literarische Gespräche?“ sagte sie.
Ich nickte stumm und schleppte mich mit letzter Kraft zur Tür.
„Dein Text hat Potential“, sagte Torben zum Abschied, bevor ich mich zur Tür hinaus quetschte, „wenn du ein bisschen mehr trennst zwischen deiner Hauptfigur und dir selber.“

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