New Readings | Grit Krüger: Tunnel

Grit Krüger nahm 2018 sowie 2021 am open mike teil. Vor Kurzem erschien nun ihr Debütroman Tunnel im Kanon Verlag. Wir haben Grit ein paar Fragen dazu gestellt.

Grit Krüger
© Felix Grünschloss

Vorschautext
Mascha und ihre Tochter Tinka leben allein. Am Monatsende können sie nicht mehr heizen. Um die Nacht zu überstehen, bauen sie sich eine Höhle aus Decken. Sie fühlen sich gefangen. Doch sie haben einander. Und eine kühne Idee. 
Ein Leben in Armut erfordert Mut, also ist Mascha furchtlos. Sie zieht mit ihrer Tochter in ein Altersheim, um zu überwintern und sich das Amt vom Hals zu halten. Der Tröster kommt, wenn sie ihn braucht, und bleibt, als er nicht mehr im Hinterzimmer einer Kneipe wohnen kann. Übergangslösungen, weiß Mascha. Als Tomsonov, einer der Heimbewohner, unter dem Sandsteinfundament im Keller Geräusche hört, beginnt Mascha zu graben. Nach Loyalität und Geborgenheit, nach zweiten Chancen und nach Abenteuer. Einen Tunnel hinaus.


Was schoss dir durch den Kopf, als du dein Debüt zum ersten Mal in den Händen gehalten hast? 

Ich habe es erst ganz kurz vor meiner ersten Lesung auf einem Festival in die Hände bekommen, frisch von der Druckerei. Obwohl ich mit so vielen Sachen gleichzeitig beschäftigt war, erinnere mich an die Millisekunde Ruhe, in der ich gedacht habe: »Schön.« Kurz darauf wurde ich etwas albern und habe, glaube ich, Freund:innen und Beistehende aufgefordert, dieses schöne Buch zu streicheln.  

Beschreibe dein Debüt in drei kurzen Sätzen. 

Eine junge, mehr oder minder alleinerziehende Mutter gräbt gemeinsam mit einem alten Mann einen Tunnel aus einer Seniorenresidenz heraus. Es geht für mich um Druck und Ausbruch, Weite und Würde. Für den Text habe ich das Morsealphabet gelernt, zu Fahrtkostenrückerstattungsformularen, Formen des Vergessens und hydraulischen Rettungsgeräten recherchiert.  

Wie ist die Idee zu deinem ersten Buch entstanden? 

Mit dem ersten Kapitel: Meine Protagonistin Mascha in der Badewanne, ihre Wünsche, der Ton ihrer Stimme und die Dissonanzen ihrer Welt. Ich habe gespürt, dass ich ihr und dieser Geschichte folgen will – wohin sie auch führt, in aller Konsequenz. 

Wie nimmst du rückblickend die Zeit zwischen deiner Teilnahme am open mike und der Veröffentlichung deines Debüts wahr? 

Nachdem ich mich 2018 nach meiner ersten Teilnahme halbwegs sortiert hatte, kam ein großes »Und jetzt?«. Durchatmen und weiterschreiben.  
Bei meiner zweiten Teilnahme 2021 hatte ich das Glück, den Ablauf bereits zu kennen und mich so entspannter auf die vielen Stimmen einlassen zu können. Die Zeit danach war durch intensive Textarbeit geprägt: Die erste Hälfte 2022 habe ich in einem unvernünftigen Ausmaß an der Tastatur verbracht. Schön war das Anbaden mit grandiosen Literaturmenschen beim open-mike-Werkstattwochenende in Buckow. In der zweite Hälfte 2022 habe ich sogar noch mehr Zeit an der Tastatur verbracht. Jetzt ist da ein Buch.   

Was gefällt dir am besten am Schreiben? Und was findest du am unangenehmsten? 

Ich mag den Moment, in dem du dir deinen Text selbst vorliest und spürst, dass darin etwas lebt, das über dich hinausgeht. Nicht so sehr mag ich die Momente, in denen du nachts um halb vier unterm Schreibtisch sitzt, nachdem du zwanzig Seiten gelöscht hast, und »how to write« googelst.  

Welche anderen Künstler:innen prägen dein Schreiben? 

Am meisten die, mit denen ich mich konkret über Texte austausche. Katrin zum Beispiel, die mit Sprache Räume und Tiefen eröffnen kann, in denen mir schwindlig wird. Thomas und Matthias, die auch vor der knappsten Deadline einen klugen, wachen Blick parat haben – und deren Romane ich kaum erwarten kann. Menschen aus meinem Jahrgang der Bayerischen Akademie, denen ich vertraue, wenn es um blinde Flecken in meinem Text geht. 

Welche Songs würde man auf dem Soundtrack zu deinem Debüt finden? 

John Goss and the Cathedral Male Voice Quartet: What Shall We Do with the Drunken Sailor 
PJ Harvey: Rid of Me 
Roomful of Teeth: Courante 
Richard Tauber: Seemanns Los 
Pink Floyd: Breathe 

Vielen Dank für deine Antworten.


Grit Krüger, 1989 in Erfurt geboren. Studium der Komparatistik sowie der Filmwissenschaft in Frankfurt am Main. Mitglied des »Salon Fluchtentier«, Mitglied des Festivalteams »Lit.Fest Stuttgart«. Auszeichnungen des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen. Teilnahme am open mike 2018 und 2021; Klagenfurter Literaturkurs 2019. Stipendium der Darmstädter Textwerkstatt 2020. Stipendium des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg 2020, Bayerische Akademie des Schreibens 2020/21. Grit Krüger lebt in Ettlingen. Ihr Debütroman Tunnel ist am 15. März 2023 im Kanon Verlag erschienen.

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