Kathrin Thenhausen: Organigramm

© Natalia Reich

Der Wettbewerb beginnt mit Organigramm, einem Lyrikzyklus von Kathrin Thenhausen, der stark erzählerisch ist. Frauenfiguren dreier Generationen stehen im Zentrum: ein lyrisches Ich, seine Mutter und Großmutter. Ein kurzes Einleitungsgedicht stellt in der Gegenüberstellung von Rosen und Motorsägenblättern ein Hauptthema der Gedichte vor:

junge mit Blumenstrauß,

ich wünschte, es wären Motorsägenblätter gewesen

statt stumpfer Nagelfeilen.

großmutter hat mich gewarnt,

dass Rosen schwer zu fällen sind.

Der Fokus von Thenhausens Lyrik liegt auf Frauenrollen und -bildern, auch im Verhältnis zur Männerrolle. Die Gedichte sind chronologisch angeordnet, es geht zunächst um die Großmutter, dann weiter zur Mutter und schließlich zur dritten Generation, der des lyrischen Ichs. In den ersten beiden Generationen schildert die Autorin Bilder einer Hausfrauenexistenz (stricken, waschen, kochen), die sie mit Technik und Intelligenz assoziierten Männern gegenüberstellt. In der dritten Generation wiederum erzählt sie eine uns gegenwärtige Alltagswelt rund um Döneressen, nächtlicher Heimfahrt und der Frage nach eigenem Kinderkriegen.

Neben diesem thematisch roten Erzählfaden gibt es Zeilen, die sich nicht so einfach erschließen. Auch die Sprache und Motive sind vielgestaltig, so verweisen einige Stellen auf naturwissenschaftliche Elemente und unsere Social-Media-Realität. Insgesamt wirken diese mitunter etwas vereinzelt, nicht durch eine starke konzeptuelle Klammer zusammengehalten. Man hört der Autorin, die ruhig und konzentriert vorträgt, gerne zu, die Texte machen neugierig auf ihr potentiell weiteres Werk. Vereinzelt wäre nur ein noch deutlicherer emotionaler oder motivischer Schwerpunkt vielleicht wünschenswert gewesen.

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