Annina Haab: Nachbarschaft

Der Titel gibt den ersten Hinweis: Bei Annina Haab geht es um – genau, eine Kindheit auf dem Dorf. Und die Exkremente eines Fuchses.

Das Leben als vorpubertäres Kind ist offensichtlich hart, wenn man Anfang der Nuller Jahre mitten in den Bergen auf einem Biohof aufwächst: Nur ein Fernsehprogramm und kein Internet – da muss man aus Langeweile wohl analysieren, wie die Kacke vom Fuchs aussieht. Das tut die zehnjährige Erzählerin, die in den Sommerferien so gerne mal ans Meer fahren würde, stattdessen mit dem Gartenschlauch auf der Obstplantage ihrer Eltern Regenbögen in den Himmel sprüht oder sich mit einer Freundin (bei der es Internet gibt!) an Cybersex versucht. Klingt nach schweizerischer Kindheitsidylle?

Gestern Nacht hat der Fuchs zwei von Papas Hühnern getötet. Eins hat er gefressen und eins hat er liegen gelassen. Vielleicht finde ich ja eine Kacke mit Federn drin.

Genau. Das kann man dem Text als Stärke auslegen oder auch als Schwäche: Wie im Leben der Erzählerin liegt auch über dem Text gelegentlich eine gewisse Langeweile, man weiß nicht so richtig, worauf er hinsteuert. Auf jeden Fall tauchen Erinnerungen an die eigene Pubertät auf, als man Telefonstreiche machte, lauter Flausen im Kopf züchtete und heimlich die Dr.-Sommer-Seiten der Bravo las.

An anderen Stellen begegnet uns die Naivität des Mädchens dagegen fluffig und durchaus humorvoll (es gibt zum ersten Mal während des Wettbewerbs richtig viele Lacher im Publikum!) – und bleibt dennoch ziemlich harmlos. Es gibt keine Brüche, nichts, woran sich die Figuren reiben könnten (zählen die kleinen Meinungsverschiedenheiten mit den Eltern?) und vor allem keine Perspektive auf Ausbruch aus der Dorfidylle. Am Horizont wartet nur die Pubertät mit ihren Irrungen und Wirrungen auf das Mädchen – und vielleicht das lang ersehnte Paar Glitzerschuhe. Eine richtige Wohlfühlgeschichte.

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