Maria Conrad und AnnPhie Fritz | Die Kandidat:innen des 31. open mike

Maria Conrad

Maria Conrad
© Michael Dittmann

Wie kamst du darauf, dich beim 31. open mike zu bewerben?

Das war kurz vor meinem 35. Geburtstag, im Kopf Ideen, Möglichkeiten, Zweifel, auf der Festplatte ein fertiger Roman, ein paar Gedichtversuche, prosaische Fragmente, die Taschen leer, weder Geld noch Verlagsvertrag. Schlussfolgerung: Es geht nicht ohne Wettbewerb.

Erster Vers deines open-mike-Textes?

Sie ist fremdes Sediment

Wann und wo schreibst du am liebsten?

Wenn mir die Flucht gelingt und ich die Mädchenhände abschütteln und den Wolf besänftigen und die Gewissensbisse versorgen und in der Menge untertauchen kann, im Geplapper, im blendenden Sonnenlicht, in Cafés oder Gärten, auf Fensterbrettern, Parkbänken, in ofenwarmen Küchen, zur Not in einer Badewanne, wenn es plötzlich ganz leicht geht.

Und was läuft dazu im Hintergrund?

Der Alltag der anderen, Dialoge, die mich nichts angehen, Wort- und Stimmungswechsel, Lärm im weitesten Sinne.

Wer liest deine Texte zuerst?

Mein Liebster.

Was bedeutet Literatur für dich?

Unsichtbares tasten, durch beschlagenes Glas fallen, Gespenster verfolgen, in Lücken verlieren und viel zu Großes ahnen, fragend zurückbleiben, mit Feenstaub bedeckt, frisch gehäutet, empfindsam, roh und unheimlich reich.

Wie bereitest du dich auf deinen Auftritt vor?

Gerade lebe und liebe ich so viel …, darauf war ich nicht vorbereitet, das möchte ich auskosten und feiern und dem bisschen Welt und Aufregung und Publikum noch eine Weile davonschweben, bis, na ja, November.

Worauf freust du dich am meisten, wenn du an das Wettbewerbswochenende denkst?

Ein Teil von mir aufs Lesen, bestenfalls wird Lampenfieber zu Konzentration, auf Resonanz und den Moment danach, wenn ich zu aufgekratzt sein werde, um mich zurückzulehnen, und dann? Muss ich wahrscheinlich tanzen.

Dein aktueller Buchtipp und warum?

Sprachkörper von Franziska König. Ich folge wirbelweise nächtlichen Straßen, halte meine Ohrmuschel hin und spüre dem Schmerz nach, finde mich wieder und frage mich: wen eigentlich und wie ist diese Einsamkeit auszuhalten? Der Band versammelt Gedichte und Prosaminiaturen, die so feinsinnig und gebrochen scharf sind, dass meine Knochenhaut davon zu kribbeln beginnt.

Schick uns ein Bild von einem Ort oder Gegenstand, der dich zuletzt zum Schreiben animiert hat.

Irrgarten.

Maria Conrad,1988 in Karl-Marx-Stadt geboren, wuchs zweisprachig Russisch-Deutsch auf. Nachdem sie ihr Journalismusstudium 2012 abschloss, arbeitete sie als freie Autorin, veröffentlichte in diversen Magazinen, bebilderte ihre Artikel mit eigenen Fotos und Illustrationen. Sie bekam zwei Töchter und lebte mehrere Jahre von Sozialhilfe. Seit 2018 studiert sie am Literaturinstitut Hildesheim. Maria Conrad wurde ausgewählt von Laura Weber.

**

AnnPhie Fritz

AnnPhie Fritz
© Hannes Caspar

Wie kamst du darauf, dich beim 31. open mike zu bewerben?

Im Gegensatz zu den letzten open mikes hatte ich beim 31. einen Text.

Erster Satz deines open-mike-Textes?

Wie mit der Zunge über die Zacken eines stumpfen Messers zu streichen eine leere Geste ist.

Wann und wo schreibst du am liebsten?

Nach dem Aufstehen am Küchentisch oder nach dem Losfahren im Zug.

Und was läuft dazu im Hintergrund?

Die Spotify-Playlist »Beats to think to«.

Wer liest deine Texte zuerst?

Der Nik.

Was bedeutet Literatur für dich?

Lesen und Schreiben. Sich das Leben zu erzählen (das eigene oder das von anderen oder das eigene anhand von anderen).

Wie bereitest du dich auf deinen Auftritt vor?

Ich probe.

Worauf freust du dich am meisten, wenn du an das Wettbewerbswochenende denkst?

Auf das Ausatmen, bevor ich anfange zu lesen. Auf das Einatmen, nach dem letzten Satz.

Dein aktueller Buchtipp und warum?

The Psychology of Time Travel von Kate Masceranhas, weil das mein all time favourite ist.

Schick uns ein Bild von einem Ort oder Gegenstand, der dich zuletzt zum Schreiben animiert hat.

Im Ofen geschmolzenes Messer.

AnnPhie Fritz, geboren 1989 in Wien. Von 2009 bis 2014 studierte sie Schauspiel an der Universität Mozarteum in Salzburg, wovon sie das letzte Jahr im Theaterbetrieb des Chemnitzer Stadttheaters verbrachte. Im Anschluss absolvierte sie ein Studium der Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, davon zwei Semester im Studiengang Szenisches Schreiben an der UdK Berlin. Seit 2014 arbeitet sie in unterschiedlichen Positionen an freien Theaterprojekten und ist auch als Theaterpädagogin tätig. AnnPhie Fritz wurde ausgewählt von Dinçer Güçyeter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.