Fiona Sironic: Das ist der Sommer, in dem das Haus einstürzt (Auszug)

Auch Fiona Sironic hat sich für ihren Text ein idyllisches Dorf ausgesucht: Hier findet eine Mischung aus Kirmes und Schützenfest statt, es gibt Autoscooter und Zuckerwatte, Plastikblumen und ein Riesenrad. Die Erzählerin Helen, nach fünf Jahren Abwesenheit in ihre Heimat zurückgekehrt, lässt die Atmosphäre auf sich einprasseln und die Erinnerungen an Kirmesbesuche mit ihrem Vater aufleben:

Als Kind mit meinem Vater, da sind wir über den Kirmesplatz, ich den Bären in der Hand, den Bären, der mir ein bisschen peinlich war, weil es ja niemand gesehen hat, dass das kein Kuscheltier ist, sondern eine Jagdtrophäe.

Doch auch wenn viele bekannte Gesichter von damals in der Menge auftauchen – sie tragen die Spitznamen der Kindheit wie Trottel, Matz, Spinnerin – ist nichts mehr wie früher. Mit jedem Satz entfaltet sich ein stärker werdendes Unbehagen, das an der vorgeblichen Schützenfestidylle kratzt. Helen versucht, ihre psychischen Probleme und das Gefühl, den Boden unter den Füßen verloren zu haben, in Worte zu fassen:

Ich kann das nicht so genau sagen, aber ich glaube, ich falle, weißt du. Wie so ein Kind, das nicht ganz sicher ist, ob der Hase wirklich sprechen kann. Ich falle aus der Welt. Ich bin nicht paranoid. Ich habe einfach oft das Gefühl, dass ich raus bin, weißt du?

Bodenlos wird es dann nicht nur im übertragenen Sinne, als Helen mit der Spinnerin in ein Riesenrad steigt, obwohl sie Höhenangst hat – und das Fahrgeschäft mitten in der Umdrehung auseinanderzufallen droht – oder geschieht das nur in der Einbildung von Helen?

Fiona Sironic habe einen »dichten, vielschichtigen Text über Angst« geschrieben, beschreibt Lektorin Martina Wunderer die Kurzgeschichte. Und in der Tat gelingt es der Autorin, mit wenigen Worten eine intensive Szenerie entstehen zu lassen, die spürbar auf ein katastrophales Ende – ob äußerlich oder innerlich – zuläuft. Ihre Sprache ist teilweise genauso flirrend wie die Kirmeslichter und mit dem Verlauf der Geschichte ebenso stockend wie das Riesenrad, das kurz vor dem Zusammenbruch steht. Obwohl manchmal etwas sperrig, hat dieser Auszug auf jeden Fall das Potential für einen längeren Text.

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